VDI 3805: Raumlufttechnische Anlagen
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Bedeutung, Anwendung und Herausforderungen der VDI 3805 im Kontext der Raumlufttechnik
Mit Hilfe der VDI-Richtlinienreihe VDI 3805 „Produktdatenaustausch in der TGA“ können Hersteller technische und geometrische Daten ihrer Produkte in standardisierter, maschinenlesbarer Form bereitstellen, was Planern die Suche und den Einsatz passender Komponenten erleichtert. Gleichzeitig bildet eine solche standardisierte Datengrundlage das Fundament, um BIM-Modelle (Building Information Modeling) aufzubauen, welche von der Entwurfs- über die Betriebs- bis zur Rückbauphase eines Gebäudes konsistente Informationen liefern.
In großen Gebäudekomplexen mit umfangreichen raumlufttechnischen Anlagen ermöglicht eine digitale Anlagendokumentation gemäß VDI 3805 eine höhere Transparenz im Betrieb, effizientere Instandhaltungsprozesse sowie eine bessere Planbarkeit von Modernisierungen. Sie ist ein Schlüsselbaustein für die digitale Transformation in der Gebäudetechnik. Durch die Standardisierung von Produktdaten schafft sie eine gemeinsame Sprache zwischen Herstellern, Planern, Betreibern und Softwaretools. Für die Raumlufttechnik bietet VDI 3805 den großen Vorteil, dass alle wesentlichen Komponenten – von Lüftungsgeräten über Ventilatoren und Auslässe bis zu Filtern und Klappen – digital in einheitlicher Struktur abgebildet werden können. Dadurch wird die Planung genauer, die Ausführung reibungsloser und der Betrieb transparenter. Insbesondere aus Sicht des Facility Managements kann aufgezeigt werden, dass standardisierte digitale Anlagendaten erhebliche Effizienzgewinne bringen: In der Wartung (Zeit- und Kosteneinsparung durch bessere Planung und Dokumentation), im Betrieb (Optimierung und schnellere Störungsbehebung) und bei Modernisierungen (gezieltere Investitionen durch Datenauswertung).Die Kompatibilität der VDI 3805 mit anderen Normen und Standards wird als durchweg positiv bewertet. Es bestehen keine Widersprüche – vielmehr ergänzen sich Regelwerke wie VDI 6022 (Hygiene) oder EN 16798 (Lüftung/Energie) in idealer Weise mit VDI 3805, da letztere die benötigten Daten liefert, um erstere praktisch umzusetzen. Die VDI 3805 stellt im Bereich der Raumlufttechnik einen Goldstandard der Digitalisierung dar. Ihre Anwendung ist zwar noch nicht überall vollständig Realität, aber der Trend ist unumkehrbar. Produktdaten sind die Grundlage für alles, was mit Planen, Bauen und Betreiben zu tun hat – in diesem Sinne ist die VDI 3805 ein fundamentaler Baustein, um Gebäude kosteneffizient, nachhaltig und zukunftssicher zu betreiben.
Entstehung und Zielsetzung der Richtlinie
Die VDI-Richtlinie 3805 wurde vom Verein Deutscher Ingenieure (VDI) entwickelt, um einen hersteller- und softwareunabhängigen Standard für den elektronischen Produktdatenaustausch in der TGA zu schaffen. Bereits in den 1980er-Jahren erkannte man den Bedarf, digitale Produktdaten strukturiert verfügbar zu machen: 1986 wurden im VDI spezielle Fachgremien für Heiz-/Sanitärtechnik sowie Raumlufttechnik gegründet, die mit der Erarbeitung eines entsprechenden Datenstandards begannen. Der erste Richtlinienteil der Reihe VDI 3805 erschien schließlich 1998, womit ein wichtiger Grundstein für den digitalen Informationsaustausch gelegt wurde.
Ziel der VDI 3805 ist es, Produktdaten gleichartiger Produkte in gleicher Struktur abzubilden. In der Richtlinie heißt es sinngemäß: „Produktdaten gleichartiger Produkte müssen einen gleichen Aufbau besitzen“. Durch diese Vereinheitlichung können alle benötigten Merkmale eines Bauteils – von geometrischen Abmessungen über technische Kennwerte bis hin zu Anschlussmaßen – in einem standardisierten Datenmodell erfasst werden. Die Hersteller stellen somit ihre Produktkatalogdaten in einem einheitlichen Format zur Verfügung, das von verschiedenster CAD- und Berechnungssoftware eingelesen werden kann (die Softwareanbieter implementieren hierfür meist sogenannte Mapping-Tabellen zur Überführung der VDI-Daten in ihr jeweiliges internes Datenmodell).
Die VDI 3805 fungiert im Kern als offenes Austauschformat zwischen unterschiedlichen Software-Werkzeugen der Gebäudeplanung: Sie soll sicherstellen, dass CAD-Systeme, Berechnungs- und Simulationsprogramme sowie andere Anwendungen alle erforderlichen Produktinformationen aus einer zentralen, konsistenten Datenbasis entnehmen können. Damit leistet die Richtlinie einen entscheidenden Beitrag, die bisher fragmentierte Datenhaltung – verursacht durch proprietäre Formate und isolierte Herstellerkataloge – zu überwinden. Insbesondere angesichts immer komplexerer Bauvorhaben und des zunehmenden Fachkräftemangels in der Branche betont der VDI, dass digitale Prozesse klare Standards erfordern; hier hat sich die VDI 3805 als Standard in der TGA etabliert.
Aufbau und Inhalte der VDI 3805
Die Richtlinienreihe VDI 3805 gliedert sich in einen Grundlagen-Teil (Blatt 1) und zahlreiche produktspezifische Blätter, die jeweils eine bestimmte Geräte- oder Produktgruppe der Gebäudetechnik abdecken. Blatt 1 „Grundlagen“ definiert das generelle Datenmodell, die hierarchische Strukturierung der Daten sowie grundlegende Konzepte für Geometriedarstellung und technische Merkmale. Darauf aufbauend existieren (Stand 2025) insgesamt 58 Blätter in der Reihe, welche nahezu alle Bereiche der TGA abdecken.
Beispiele für solche produktspezifischen Richtlinienblätter sind:
VDI 3805 Blatt 5: Luftdurchlässe – definiert das Datenformat für Luftauslässe/-durchlässe (z. B. Lüftungsgitter, Diffusoren).
VDI 3805 Blatt 7: Ventilatoren – beschreibt den einheitlichen Aufbau der Produktdaten von Ventilatoren (Gebläsen) inklusive hierarchischer Gliederung nach Einsatzbereich, Bauart, Einbauort etc., sowie technischen Kenndaten. Dieses Blatt wurde im Juni 2020 als Weißdruck veröffentlicht und richtet sich an Betreiber, Hersteller und Planer im Bereich Lüftungstechnik.
VDI 3805 Blatt 9: Modulartige RLT-Geräte – standardisiert die Datenstruktur für raumlufttechnische Zentralgeräte (Lüftungs- und Klimageräte, die modular aufgebaut sind, z. B. zentrale Lüftungsanlagen). Hier werden u. a. Komponenten wie Ventilatoren, Wärmetauscher, Filter innerhalb eines RLT-Geräts beschrieben.
VDI 3805 Blatt 10: Luftfilter – Datenmodell für Filterelemente (z. B. Taschenfilter, HEPA-Filter) einschließlich Kenndaten wie Filterklassen, Druckverlustkennlinien etc..
VDI 3805 Blatt 11: Wärmeaustauscher Flüssigkeit/Dampf-Luft – standardisiert Produktdaten von Luftheiz- oder -kühlregistern (Wärmetauschern zwischen Flüssigkeit/Dampf und Luft).
VDI 3805 Blatt 14: Schalldämpfer (passiv) – enthält die Datenstruktur für akustische Dämpfungselemente in Lüftungsanlagen (Kulissenschalldämpfer etc.).
VDI 3805 Blatt 16: Brandschutzklappen/Rauchableiter – beschreibt die Produktdaten für Brandschutz- und Entrauchungsklappen in Lüftungssystemen.
Darüber hinaus existieren zahlreiche Blätter für Heizungstechnik (z. B. Blatt 2 „Brennwert-Wärmeerzeuger“, Blatt 6 „Radiatoren/Konvektoren“ etc.) sowie Sanitärtechnik und – neuerdings – Elektrotechnik und Gebäudeautomation. Letztere Erweiterungen (mehrere Blätter zur Elektro- und GA-Technik wurden 2024 verabschiedet) zeigen, dass die VDI 3805 mittlerweile nahezu alle Gewerke der Gebäudetechnik umfasst. Dadurch wird eine gemeinsame Datenbasis für die gesamte TGA geschaffen, was insbesondere im BIM-Kontext wichtig ist.
Inhaltlich legt jedes Blatt fest, welche Merkmale und Kennwerte für die jeweilige Produktgruppe zu erfassen sind, und in welcher Struktur/Hierarchie diese anzuordnen sind. So ist etwa VDI 3805 Blatt 7 (Ventilatoren) strukturiert nach Kategorien wie Bauart (Axial-, Radialventilator etc.), Einsatzbereich (Zuluft, Abluft, Brandgasventilator etc.), Einbauort, Baugrößen, Leistungsdaten (Volumenstrom, Druckerhöhung, Wirkungsgrad, Motorleistung) und weiteren spezifischen Merkmalen. Die Richtlinie gibt konkrete Anweisungen für den Aufbau der Datensätze, einschließlich Dateibenennungen und Datenfeldbeschreibungen, um eine konsistente Umsetzung sicherzustellen. Ähnlich verhält es sich mit den anderen Blättern: z. B. definiert Blatt 5 (Luftdurchlässe) Parameter wie Nennmaß, Luftvolumenstrom-Bereich, Abstrahlcharakteristik, Einbaumerkmale etc., während Blatt 9 (RLT-Geräte) u. a. modular aufgebaute Datensätze vorsieht, die die einzelnen Funktionssektionen eines Lüftungsgeräts (Ventilatorsektion, Filtersektion, Wärmerückgewinnung usw.) abbilden können.
Ein zentrales Element des VDI-3805-Datenmodells ist die Trennung von geometrischen und alphanumerischen Informationen sowie die Möglichkeit, dynamische Funktionen abzubilden. Geometrische Informationen (3D-Modelle oder vereinfachte Platzhalter-Geometrien) werden so hinterlegt, dass sie je nach Bedarf in unterschiedlicher Detaillierung bereitgestellt werden können – beispielsweise eine einfache schematische Darstellung für die Vorplanung und eine detaillierte Geometrie für die Ausführungsplanung. Alphanumerische technische Daten (wie Leistungskennlinien, Materialien, Normen, Anschlussdaten) sind ebenso enthalten. Darüber hinaus erlaubt die Richtlinie die Einbindung von Funktionen oder Formeln zur Abbildung komplexer Zusammenhänge – etwa Kennfeldfunktionen für Pumpen oder Ventilatoren, die es ermöglichen, aus den eingegebenen Betriebsparametern (Drehzahl, Volumenstrom, Druck) einen Arbeitspunkt zu berechnen. Solche Funktionen können in den Datensätzen hinterlegt werden, um z. B. automatisierte Produktauswahlalgorithmen zu ermöglichen (etwa die Auswahl eines passenden Ventilators basierend auf gefordertem Volumenstrom und Druckerhöhung).
Medien-Daten (Grafiken, Datenblätter, Montageanleitungen etc.) können ebenfalls eingebunden oder verlinkt werden. So lassen sich z. B. Produktbilder, schematische Zeichnungen, Querschnittsbilder oder PDF-Katalogseiten als Zusatzinformationen im Datensatz hinterlegen, was den Benutzern einen direkten Zugriff auf weiterführende Dokumentation erlaubt. Ebenso ist eine Verknüpfung zu kaufmännischen Daten möglich: Über Artikelnummern kann eine Beziehung zu Ausschreibungstexten (z. B. STLB-Bau) oder Preisdatensätzen (z. B. Datanorm) hergestellt werden. Auf diese Weise überbrückt VDI 3805 die Lücke zwischen technischer Planung und AVA (Ausschreibung, Vergabe, Abrechnung). Selbst Produktkennzeichnungen im Rahmen der EU-Ökodesign-Verordnungen (ErP), wie Energieeffizienzlabels, können digital mit übergeben werden – ein wichtiger Aspekt, um z. B. nachzuweisen, dass Geräte den europäischen Mindestanforderungen an die Energieeffizienz entsprechen.
Relevanz für die Raumlufttechnik
Für die Raumlufttechnik (Lüftungs- und Klimaanlagen) bildet die VDI 3805 einen unverzichtbaren Standard, da sie genau jene Komponenten abdeckt, die für Planung und Betrieb von RLT-Anlagen benötigt werden. Wie oben aufgeführt, existiert eine Reihe von Blättern, die sämtliche Hauptkomponenten einer Lüftungsanlage digital beschreiben: Von Ventilatoren (Blatt 7) über Luftdurchlässe (Blatt 5), Filter (Blatt 10), Wärmetauscher (Blatt 11), Schalldämpfer (Blatt 14) bis hin zu Brandschutzklappen (Blatt 16) und kompletten Lüftungsgeräten (Blatt 9). Damit können Herstellerdaten aller wesentlichen Geräte einer RLT-Anlage in einheitlicher Form eingebunden werden – unabhängig vom Hersteller. In der Praxis bedeutet dies: Ein/e Planer/in oder Betreiber/in kann z. B. aus der zentralen Datenbank einen Ventilator eines beliebigen unterstützenden Herstellers auswählen und sicher sein, dass dessen digitale Beschreibung stets nach dem gleichen Schema strukturiert ist (die gleichen Attributnamen, Einheitensysteme, Koordinatensysteme etc.).
Insbesondere im Bereich Lüftungs- und Klimazentralgeräte (RLT-Zentralen), die typischerweise modular aus standardisierten Komponenten zusammengesetzt werden, spielt die VDI 3805 ihre Stärken aus. Da für alle Module (Ventilator, Filter, Wärmerückgewinner, Heizer/Kühler usw.) standardisierte Datensätze existieren, können Hersteller komplette RLT-Geräte aus standardisierten Modulen digital konstruieren und dem Planer als VDI-3805-Datensatz zur Verfügung stellen. Dies erhöht die Vergleichbarkeit von Angeboten verschiedener Hersteller und erleichtert die Integration dieser Geräte ins BIM-Modell. So beschreibt z. B. VDI 3805 Blatt 9 neben den einzelnen Komponenten auch deren Schnittstellen (Flanschmaße, Anschlusswerte), sodass ein zusammengebautes Lüftungsgerät digital aus kompatiblen Bausteinen besteht. Für Betreiber ergibt sich daraus der Vorteil, später auch einzelne Module austauschen oder upgraden zu können (z. B. einen Ventilator in der Anlage durch ein effizienteres Modell ersetzen), ohne das gesamte digitale Modell neu aufbauen zu müssen – die Modul-Datensätze können einzeln aktualisiert werden.
Auch für raumlufttechnische Anlagen im Gesamtsystem ist die Richtlinie relevant. Beispielsweise werden in Blatt 5 (Luftdurchlässe) auch Volumenstromregler und Drallauslässe erfasst, welche maßgeblich die Luftverteilung beeinflussen; Blatt 16 (Brandschutzklappen) ist essenziell für den Brandschutz in Lüftungsanlagen. Die einheitliche Datenstruktur stellt sicher, dass alle diese Komponenten miteinander in Beziehung gesetzt werden können – etwa dass in einer CAD-/BIM-Software eine Brandschutzklappe automatisiert mit den zugehörigen Kanalsegmenten verbaut wird und ihren Schachtbezug behält.
Es gewährleistet VDI 3805 in der Raumlufttechnik eine konsistente, vollständige und aktuelle Abbildung aller Gerätedaten, was sowohl im Planungsprozess (z. B. zur korrekten Dimensionierung und Kollisionsprüfung) als auch im Betrieb (z. B. zur Instandhaltungsplanung) von großem Nutzen ist. Ohne standardisierte Produktdaten „existieren Produkte in der digitalen Welt nicht“. Produktdaten seien die „Grundlage für alles, was mit Planen, Bauen und Betreiben zu tun hat“ – und das gelte neben Herstellern und Planern „letztlich auch für die Gebäudebetreiber“. In diesem Sinne bildet die VDI 3805 gerade im Bereich Raumlufttechnik einen Grundpfeiler, um die Brücke zwischen Herstellern, Planern und Betreibern durchgängig zu schlagen.
Anwendung der VDI 3805 im Facility Management großer Liegenschaften
In diesem Kapitel wird untersucht, wie VDI 3805 aus Sicht des technischen Facility Managements (FM) konkret zur Anwendung kommt. Insbesondere Gruppenleiter großer Liegenschaften – die häufig für die Koordination von Planung, Betrieb und Instandhaltung der gebäudetechnischen Anlagen verantwortlich sind – profitieren in vielfältiger Weise von den standardisierten Daten nach VDI 3805. Die folgenden Unterkapitel beleuchten die Einsatzfelder Planung, Betrieb, Wartung und Modernisierung im Lebenszyklus raumlufttechnischer Anlagen.
Einsatz in der Planungs- und Bauphase (Neuanlagen und Umbauten)
Bereits in der frühen Planungsphase eines Bauprojekts oder einer größeren Modernisierungsmaßnahme kann die konsequente Anwendung der VDI 3805 erheblich dazu beitragen, die spätere Betriebsführung zu optimieren. Indem alle vorgesehenen RLT-Komponenten als digitale Objekte mit vollständigen Attributen ins Planungsmodell integriert werden, entstehen schon im Planungs-BIM wertvolle Datensätze für den späteren Gebäudebetrieb. So fließen etwa Raumdaten, Anlagenschemata und Produktspezifikationen (z. B. der exakt verbaute Ventilatortyp mit seinen Leistungsdaten) aus dem BIM-Modell direkt in die Dokumentation über – Medienbrüche werden vermieden. Untersuchungen zeigen, dass durch eine an den Betriebsanforderungen orientierte Planung und Dokumentation die Lebenszykluskosten von Gebäuden um 10–20 % gesenkt werden können. Dies setzt allerdings voraus, dass bereits bei Projektbeginn klare Vorgaben getroffen werden, welche FM-relevanten Daten im Modell erfasst werden (z. B. mittels AIA – Auftraggeber-Informations-Anforderungen an Planer, die festlegen, dass VDI-3805-konforme Daten geliefert werden müssen).
Aus Sicht eines FM-Gruppenleiters bedeutet dies, frühzeitig die Weichen zu stellen, damit das Planerteam die VDI 3805 konsequent nutzt. In der Praxis kann dies z. B. so aussehen: Der Bauherr bzw. Betreiber (vertreten durch das FM) fordert im Planungsvertrag, dass alle relevanten technischen Gebäudeausrüstungsdaten nach VDI 3805 bereitgestellt werden und dass eine gemeinsame, zentrale Datenumgebung (Common Data Environment, CDE) eingerichtet wird, auf der Planer, Bauausführende und Betreiber zusammenarbeiten. Auf dieser Basis kann das FM-Team schon während der Planung Einblick nehmen, ob z. B. Wartungsflächen und -zugänglichkeiten gemäß den Herstellerdaten vorgesehen sind (ein oft vernachlässigter Aspekt in der traditionellen Planung). Der digitale Produktdatensatz eines RLT-Geräts enthält bspw. Informationen über benötigte Wartungsabstände vor Filter- oder Ventilatorsektionen; sind diese Daten im BIM-Modell vorhanden, können FM-Verantwortliche früh prüfen, ob die Aufstellungsplanung genug Platz einräumt, um Filter wechseln oder Lüftermotoren ausbauen zu können. Somit lassen sich Planungsfehler, die später teuer korrigiert werden müssten, präventiv vermeiden – ein klarer Gewinn an Wirtschaftlichkeit.
Ein weiterer Vorteil in der Planung ist die verbesserte Ausschreibungs- und Vergabephase. Da VDI 3805 herstellerneutrale Strukturen vorgibt, können Fachplaner ihre Ausschreibung so aufbauen, dass vergleichbare Angebote eingeholt werden: Jeder Hersteller muss z. B. für ein angebotenes Lüftungsgerät alle Datenfelder gemäß VDI 3805 ausfüllen. Im Idealfall stellt der Hersteller sogar direkt einen VDI-3805-Datensatz bereit, der in die Planungssoftware importiert werden kann. Dies erleichtert dem Planer die Prüfung der Angebote und reduziert die Gefahr, dass wichtige Informationen übersehen werden. Für das Facility Management bedeutet es, dass bereits vor der Vergabe vollständige Gerätedaten vorliegen, die später ins CAFM-System übernommen werden können – man erhält quasi das „digitale Anlagenbuch“ schon mitgeliefert.
Während der Bauausführung kann die VDI 3805 ebenfalls Anwendung finden: Bauunternehmen oder TGA-Firmen nutzen ggf. digitale Bauteilkataloge zur Detailplanung der Installation. Wenn etwa ein Nachunternehmer zusätzliche Komponenten (z. B. Brandschutzklappen) einbringt, kann er diese aus der VDI-3805-Datenbank auswählen, sodass Kompatibilität und Dokumentation gewahrt bleiben. Gerade bei komplexen Großprojekten – beispielsweise Krankenhäusern oder Flughäfen – sorgt dies dafür, dass auch Nachträge und Änderungen konsistent im Datenmodell erfasst werden. Am Ende der Bauphase kann dem Betreiber ein vollständiges As-built-BIM-Modell mit allen verbauten Anlagen übergeben werden, was das FM-Team in die Lage versetzt, unmittelbar damit zu arbeiten. Hier zeigt sich ein enormer Unterschied zur herkömmlichen Übergabe: Klassische Revisionsunterlagen in Papierform oder als PDF sind häufig unvollständig und schwer durchsuchbar, während ein mit VDI 3805-Daten angereichertes BIM-Modell durchgängig digital und auswertbar ist.
Unterstützung im laufenden Betrieb (Gebäudebetrieb und Anlagensteuerung)
Im Betrieb einer raumlufttechnischen Anlage kommt es vor allem darauf an, die Anlagen effizient, sicher und zuverlässig zu steuern sowie bei Störungen schnell reagieren zu können. Die Verfügbarkeit der vollständigen Produktdaten gemäß VDI 3805 bietet hierfür mehrere Vorteile. Erstens ermöglicht sie die Erstellung eines digitalen Zwillings der Anlage: Alle Soll-Daten eines Geräts (z. B. Nennluftmenge, Leistungsaufnahme, Regelkennlinien) sind bekannt und können mit den aktuellen Ist-Daten aus der Gebäudeleittechnik verglichen werden. Moderne Gebäudeautomationssysteme (GA-Systeme) – etwa nach ISO 16484 (dem Standard für Gebäudeautomation und -steuerung, inklusive Kommunikationsprotokollen wie BACnet) – lassen sich mit den BIM- bzw. Produktdaten verknüpfen, sodass Sensor- und Aktordaten im Kontext der Herstellerkennwerte interpretiert werden können. Beispiel: Wenn im BMS (Building Management System) der aktuelle Volumenstrom und Druck eines Ventilators angezeigt wird, kann das System anhand des VDI-3805-Datensatzes dessen Kennlinie hinterlegen und so Berechnungen durchführen, ob der Betriebspunkt im optimalen Wirkungsgradbereich liegt. Mit IoT-Sensorik angereicherte digitale Zwillinge ermöglichen es, den Betriebszustand gebäudetechnischer Anlagen in Echtzeit zu überwachen und zu optimieren, was Kosten und CO₂-Emissionen reduzieren hilft. Für das FM-Personal bedeutet dies eine verbesserte Entscheidungsgrundlage: Sie können beispielsweise erkennen, dass ein Ventilator permanent außerhalb seines Auslegungsbereichs fährt (etwa wegen verschmutzter Filter oder geänderter Nutzungsanforderungen) und proaktiv Maßnahmen ergreifen.
Zweitens erleichtert ein vollständiger digitaler Datenstamm das Störungsmanagement. Tritt in einer Anlage eine Fehlfunktion auf (z. B. fällt ein RLT-Ventilator aus), so sind alle relevanten Informationen sofort verfügbar: Typ und Seriennummer des Ventilators, seine Förderleistung, ggf. der Hersteller-Kundendienstkontakt oder Bestellnummern von Ersatzteilen (sofern im Datensatz hinterlegt). Das FM-Team muss nicht erst in physischen Akten oder veralteten Listen recherchieren, sondern kann in der CAFM-Software oder BIM-Umgebung die Komponente selektieren und die hinterlegten Eigenschaften abrufen. Wenn die VDI-3805-Daten zudem mit dem Wartungsmodul verknüpft sind, sieht man vielleicht sogar gleich, wann der Lüfter zuletzt gewartet wurde und welche Betriebsstunden er aufweist. Solche transparente Anlageninformationen beschleunigen Fehleranalysen und minimieren Ausfallzeiten.
Drittens fördert ein auf VDI 3805 basierendes Datenmodell die Optimierung des Energieverbrauchs im Betrieb. Raumlufttechnische Anlagen zählen zu den größten Energieverbrauchern in Nichtwohngebäuden; ihre Effizienz hängt stark von der richtigen Einstellung und Auslegung ab. Mit standardisierten Produktdaten lassen sich Simulationen und Nachweise einfacher führen: Beispielsweise können die technischen Daten aus VDI 3805 direkt in energetische Berechnungsprogramme (nach DIN V 18599 oder DIN EN 16798) importiert werden, um z. B. einen Energieausweis oder eine Verbrauchsprognose zu erstellen. Auch Betriebsoptimierungen, wie das Absenken von Volumenströmen in teilbelegten Zeiten, können simuliert werden, weil die Teillastkennwerte der Geräte vorliegen. Sollte die Betriebsführung später Anpassungen erfordern (z. B. Erhöhung der Luftmenge wegen geänderter Nutzung), ermöglicht der digitale Datenbestand eine schnelle Neuberechnung der Auswirkungen: Man passt im Modell die Volumenströme an, und die Software kann über die vorhandenen Leistungsdaten die neue elektrische Leistungsaufnahme, die möglicherweise nötige höhere Filterklasse etc. abschätzen. Dies unterstützt faktenbasierte Entscheidungen im Energiemanagement.
Zusammengefasst ermöglicht die VDI 3805 im Betrieb einen durchgängigen Informationsfluss zwischen dem digitalen Anlagenmodell und den realen Betriebsdaten. Indem Produkte digital greifbar sind, wird das Facility Management in die Lage versetzt, Betriebsabläufe zu analysieren und zu optimieren, Störungen effizienter zu beheben und die Anlagen stets im optimalen Bereich zu fahren – was Kosten spart und die Versorgungssicherheit steigert.
Erleichterung von Wartung und Instandhaltung
Ein zentrales Aufgabengebiet von Gruppenleitern im technischen FM ist die Instandhaltung der Anlagen – also Wartung, Inspektion und ggf. Instandsetzung. Hier kann die VDI 3805 wertvolle Unterstützung leisten, indem sie die Grundlage für eine lückenlose Anlagendokumentation bildet. Relevante Informationen für Wartungszwecke, die im VDI-3805-Datensatz typischerweise enthalten sind, umfassen z. B.: Filtertypen und -maße, empfohlene Wartungsintervalle (sofern vom Hersteller angegeben), benötigte Schmierstoffe oder Austauschteile, Angaben zu Hygieneanforderungen (z. B. ob ein Bauteil gemäß VDI 6022 gereinigt werden muss) usw. Wenn diese Daten digital vorliegen, können sie im CAFM-System mit den Wartungsplänen verknüpft werden. Beispielsweise kann automatisch ein Wartungsauftrag generiert werden, der genau spezifiziert, welcher Filtertyp (Artikelnummer) wann zu wechseln ist, und welcher Differenzdruck den Wechsel auslösen sollte. Ohne standardisierte Datengrundlage müssen solche Details manuell aus Katalogen herausgesucht und eingepflegt werden – ein Prozess, der fehleranfällig ist und in der Praxis häufig zu unvollständigen Wartungsdaten führt.
Die Anwendung der VDI 3805 trägt „maßgeblich zur Qualität und Vollständigkeit der Dokumentation bei und erleichtert die Arbeit aller Beteiligten“, so ein Branchenbeitrag zum Thema Revisionsunterlagen. Diese Aussage lässt sich insbesondere auf die Wartungsdokumentation beziehen: Wenn z. B. bei der Übergabe eines neuen Gebäudes alle RLT-Anlagenkomponenten als VDI-3805-Datensätze übergeben werden, verfügt der Betreiber über ein digitales Anlagenbuch. Darin kann ein Wartungstechniker jederzeit nachschlagen, welches Bauteil verbaut ist, ob es von einer Herstellergarantie abgedeckt ist, wann es installiert wurde und ob es bereits Störungen hatte. Dies erleichtert auch die Kommunikation mit Servicefirmen: Statt vage anzugeben „der Abluftventilator im 3. OG ist defekt“, kann der FM-Teamleiter präzise die Komponentennummer aus dem Modell nennen (die beispielsweise auch auf dem physischen Bauteil angebracht sein kann) und der Service kann das passende Ersatzteil mitbringen, weil alle technischen Daten vorab klar sind.
Ein wichtiger Aspekt ist auch die Hygiene-Wartung gemäß VDI 6022 (Raumluftqualität und -hygiene). Diese Richtlinie schreibt regelmäßige Überprüfungen und Reinigungen von RLT-Anlagen vor, um Gesundheitsrisiken durch Keime, Schmutz oder Schadstoffe vorzubeugen. Mit VDI 3805 kann man die hierfür nötigen Informationen gezielt vorhalten: Zum Beispiel könnten Komponenten, die VDI 6022-relevant sind (Filter, Befeuchter, RLT-Geräte allgemein), im Datensatz ein Attribut „Hygienerelevanz“ oder „VDI 6022 Kategorie“ tragen. Auch Angaben wie „Oberflächenbeschichtung antibakteriell“ oder „maximal zulässige Standzeit bis Reinigung“ ließen sich standardisiert abbilden. Wenn solche Felder in den VDI-3805-Daten vorhanden sind, kann das CAFM-System automatisch Hygieneinspektionen planen und dokumentieren. Sollte ein Auditor oder die Aufsichtsbehörde Nachweise verlangen, kann man aus dem System mit wenigen Klicks generieren, welche Geräte wann gereinigt oder überprüft wurden – mit Verweis auf die hinterlegten Herstellerdaten (z. B. Filterwechsel alle 6 Monate laut Herstellerempfehlung). Die Standardisierung hilft auch, Hygieneprüfprotokolle einheitlich zu gestalten, da alle beteiligten Anlagenkomponenten strukturiert beschrieben sind.
Darüber hinaus unterstützt VDI 3805 die Materialwirtschaft und Ersatzteilhaltung. In großen Liegenschaften mit vielen baugleichen Komponenten (z. B. 100 Brandmelder, 50 Ventilatoren etc.) ist es sinnvoll, Ersatzteile vorzuhalten. Durch die digitale Inventarisierung aller Teile kann das FM schnell ermitteln, welche Ersatzfiltertypen am häufigsten gebraucht werden oder welche Verschleißteile (z. B. Keilriemen für bestimmte Lüfter) auf Lager sein sollten. Es lassen sich automatische Stücklisten aus dem Modell ziehen. Manche Hersteller geben in den VDI-3805-Daten auch Ersatzteillisten mit (z. B. „Empfohlene Ersatzteile: Dichtungssatz, Lager, Riemen…“). Dadurch wird die Ersatzteilbeschaffung planbarer und man vermeidet teure Expressbestellungen im Notfall.
Bei der Durchführung der Wartung vor Ort kann ein digitaler Datenzugriff (etwa über ein Tablet) den Technikern helfen: Man scannt z. B. einen QR-Code an der Anlage, ruft den zugehörigen VDI-3805-Datensatz auf und sieht die wartungsrelevanten Parameter unmittelbar ein (z. B. Filterklasse, Anzugsdrehmoment von Schrauben, Füllmenge von Öl etc., falls dokumentiert). Solche Anwendungen befinden sich in der Praxis noch im Aufbau, werden aber durch die Verfügbarkeit standardisierter Daten überhaupt erst ermöglicht. Insgesamt ergibt sich durch den Einsatz von VDI 3805 in der Instandhaltung eine höhere Qualität der Wartungsdokumentation, weniger Suchaufwand und letztlich eine höhere Betriebssicherheit der RLT-Anlagen, da nichts „in Vergessenheit“ gerät.
Unterstützung bei Modernisierung und Lebenszyklusmanagement
Große Liegenschaften haben oft Lebensdauern von vielen Jahrzehnten. Im Verlauf der Nutzung stehen daher immer wieder Modernisierungen, Nachrüstungen oder Erweiterungen der Raumlufttechnik an – sei es aus energetischen Gründen, zur Kapazitätserhöhung oder um neue Vorschriften einzuhalten. Die VDI 3805-Datenbasis erweist sich in diesen Situationen als äußerst wertvoll.
Zum einen ermöglicht sie ein effektives Asset Management: Alle Anlagenkomponenten sind mit ihren Alterdaten und Leistungsdaten erfasst, sodass ein FM-Gruppenleiter strategisch planen kann, welche Anlagen wann zu ersetzen oder zu optimieren sind. Beispielsweise kann man aus dem Datenmodell filtern, welche Ventilatoren noch alte Effizienzklassen haben, oder welche Wärmerückgewinnungssysteme unterdurchschnittliche Wirkungsgrade aufweisen. Anhand solcher Auswertungen lassen sich gezielt Modernisierungsmaßnahmen mit dem größten Nutzen identifizieren – ein wichtiger Beitrag zur Nachhaltigkeit und Energieeinsparung.
Wenn es dann konkret zu einer Modernisierung (z. B. Austausch eines RLT-Geräts oder Nachrüstung einer Kühlung) kommt, erleichtern VDI-3805-Daten den Planungsprozess abermals: Das bestehende Anlagenmodell liefert alle Ist-Daten (Abmessungen, Anschlüsse, Luftmengen etc.), die das neue Gerät erfüllen muss. Ein Planer kann diese Daten direkt übernehmen und nach passenden neuen Komponenten suchen, idealerweise wiederum in der VDI-3805-Datenbank. So wird sichergestellt, dass neue und alte Komponenten kompatibel sind. Im besten Fall stellt der Hersteller des Neugeräts einen VDI-3805-Datensatz bereit, der in das vorhandene BIM-Modell importiert werden kann, wodurch der Austausch im digitalen Modell quasi per „Drag-and-Drop“ erfolgt. Das Vergleichen von Varianten (z. B. verschiedene Fabrikate eines Lüftungsgeräts) wird ebenfalls vereinfacht, da bei standardisierter Datenstruktur die Kennwerte direkt nebeneinander gelegt werden können – anders als bei heterogenen PDF-Datenblättern.
Eine Herausforderung bei Modernisierungen ist oft die Dokumentation der Bestandsanlagen, insbesondere in älteren Gebäuden. Häufig fehlen aktuelle Pläne oder Unterlagen sind unvollständig. Hier zeigt sich noch einmal der Vorteil, wenn die VDI 3805 bereits seit der Errichtung genutzt wurde: Dann liegt nämlich ein digitales Archiv aller ursprünglichen Produkte vor. Sollten im Laufe der Jahre Änderungen passiert sein, lassen sich diese im Modell nachpflegen. Bei Gebäuden, die diese digitale Historie (noch) nicht haben, wird es entsprechend schwieriger. Allerdings gibt es mittlerweile Forschungsprojekte, die versuchen, Bestandsinformationen nachträglich in BIM-Modelle zu überführen. Beispielsweise arbeitet das Fraunhofer ISE an KI-Tools, um aus 2D-Plänen und 3D-Laserscans automatisch Anlagenmodelle zu erstellen, und entwickelt dabei auch Schnittstellen zu gängigen Standards wie IFC und Produktdatenbeschreibungen wie VDI 3805 oder dem ETIM-Merkmalsmodell. Solche Entwicklungen zeigen, dass die Branche erkannt hat: Um Bestandsgebäude fit für die Zukunft zu machen, müssen die physischen Anlagen in digitale Daten überführt werden – und VDI 3805 liefert hierfür die passende Struktur, um die heterogenen Informationen einzuordnen.
Wenn Modernisierungen durchgeführt wurden, sorgt die weitere Nutzung der VDI 3805 dafür, dass der digitale Zwilling des Gebäudes aktuell gehalten wird. Jede ausgetauschte Komponente wird im Modell ersetzt, ihr neuer Datensatz eingespeist. Dadurch bleibt die Anlagenhistorie nachvollziehbar. Gerade für langfristig angelegte Liegenschaften (z. B. Universitätscampus, Industrieanlagen, Verwaltungszentren) ist dies ein entscheidender Vorteil: Selbst nach Jahrzehnten kann man noch auf die Originaldaten der verbauten Geräte zugreifen, was einen erneuten Austausch wiederum erleichtert. So entsteht ein Regelkreis des lebenszyklusorientierten Bauens: Daten aus der Planung fließen in den Betrieb, werden bei Modernisierung wieder zur Planungsgrundlage und fließen erneut in den Betrieb zurück. Die VDI 3805 bietet hierfür das gemeinsame Datenmodell und stellt sicher, dass bei all diesen Übergängen keine Informationen verlorengehen.
Es ermöglicht die Anwendung der VDI 3805 dem Facility Management ein proaktives Lebenszyklusmanagement: Von der gezielten Investitionsplanung über reibungsarme Modernisierungsprojekte bis hin zur fortlaufenden Aktualisierung der Bestandsdokumentation. Dies erhöht die Nachhaltigkeit (durch bessere Planbarkeit von energieeffizienten Upgrades), die Wirtschaftlichkeit (durch Vermeidung von Doppelarbeit und Fehlplanungen) und die Zukunftsfähigkeit der Immobilien.
Digitale Produktdaten und Schnittstellen (BIM, CAD und mehr)
Ein wesentliches Merkmal der VDI 3805 ist, dass sie als Bindeglied zwischen verschiedenen Softwareplattformen im Bauwesen fungiert. Dieses Kapitel beleuchtet die Schnittstellen-Aspekte: Wie werden die digitalen Produktdaten in BIM-Modelle integriert? Wie verhalten sie sich zu offenen Austauschformaten wie IFC? Und welche Rolle spielen CAD-Systeme sowie ergänzende Klassifikationsstandards?
Integration in BIM-Prozesse und CAD-Systeme
Die VDI 3805 wurde von Anfang an mit Blick auf einen softwareneutralen Datenaustausch konzipiert. In der Praxis manifestiert sich dies etwa in der gleichnamigen VDI 3805 Web-Applikation (bekannt auch als VDI-3805-Portal oder im Rahmen des BDH als bim4hvac-Portal). Über diese Plattform können Planer digitale Produktdatensätze herunterladen bzw. via Webservice direkt in ihre CAD- oder BIM-Programme einbinden. Die Web-App stellt eine Art zentrale BIM-Bibliothek für TGA-Produkte dar: Sie umfasst nach Angaben des BDH Datensätze aus über 15 Produktgruppen mit über 1 Million Artikeln (Stand 2019), darunter Heizkessel, Wärmepumpen, Wohnungslüftungsgeräte, Lüftungskomponenten (Klappen, Schalldämpfer, Volumenstromregler), Rohr- und Kanalnetze u.v.m.. Diese Herstellerdaten können von Anwendern effizient für Planung und Berechnung genutzt werden. In einigen Softwarelösungen (z. B. liNear, Plancal Nova, Autodesk Revit mit Plugins) ist der Zugriff sogar automatisiert über Webservices möglich, sodass man aus der Planungssoftware heraus die benötigten Bauteile direkt aus dem Online-Katalog laden kann.
Für den BIM-Prozess hat die VDI 3805 eine zentrale Bedeutung: Sie gewährleistet, dass Open-BIM-Workflows in der TGA mit klar definierten Produktdaten arbeiten. „Die einheitliche Anwendung von Open-BIM über die Schnittstelle VDI 3805 ist der Standard für die TGA“, erläutert Thomas Müller vom VDMA. Das bedeutet, dass unabhängig davon, welches BIM-Autorensystem genutzt wird (Revit, Allplan, ArchiCAD, etc.), die TGA-Fachplaner auf VDI-3805-Daten zurückgreifen, um ihre Modelle zu bestücken. Die Richtlinie liefert also die Inhalte für BIM-Objekte: Anstatt auf herstellerspezifische Revit-Familien mit unklarer Datenstruktur zu setzen, können neutrale VDI-3805-Objekte verwendet werden, die dann ggf. beim Import in das jeweilige Tool abgebildet werden. Tatsächlich haben alle größeren TGA-Softwarehäuser entsprechende Importfilter („Mapping-Tabellen“) für VDI 3805 implementiert. Abb. 1 zeigte exemplarisch die Vielzahl der Hersteller, die VDI 3805 unterstützen – Abb. 2 verdeutlicht nun, dass auch etliche Softwarehersteller (CAD/BIM und Berechnungsprogramme) das Format integriert haben. Dies umfasst sowohl allgemeine BIM-Plattformen als auch Spezialsoftware für TGA. Die breite Unterstützung resultiert aus dem Nutzen für beide Seiten: Hersteller müssen nur ein Datenformat pflegen, und Softwareentwickler können auf standardisierte Datenstrukturen zugreifen, was die Implementierung erleichtert.
Eine wichtige Schnittstelle im BIM-Kontext ist der IFC-Standard (Industry Foundation Classes) von buildingSMART. IFC dient als offenes Austauschformat für Gebäudemodelle, das Disziplinen-übergreifend (Architektur, Tragwerk, TGA etc.) genutzt wird. Während VDI 3805 darauf abzielt, Detaildaten von TGA-Produkten zu standardisieren, ist IFC ein höher gegriffenes Schema zur Beschreibung kompletter Bauwerke. Die Herausforderung besteht darin, die detaillierten VDI-3805-Daten in das IFC-Modell zu überführen, ohne Informationsverluste. Aktuell zeigt sich, dass beim IFC-Export noch Übersetzungsprobleme auftreten: Unterschiedliche Klassifikationssysteme müssen ineinander überführt werden, wobei teils Daten verloren gehen oder an falscher Stelle landen. Beispielsweise enthalten native Planungsmodelle bestimmte Berechnungsergebnisse oder Materialbezeichnungen, die nicht 1:1 in IFC existieren; umgekehrt kennt IFC eventuell Parameter, die im VDI-Datensatz anders benannt sind. Dies führt dazu, dass Informationen mehrfach erfasst oder gemappt werden müssen, was fehleranfällig ist. Als Lösungsansatz arbeiten internationale Gremien an sogenannten Data Dictionarys (z. B. das buildingSMART Data Dictionary, bsDD), die eine Übersetzungsbasis zwischen verschiedenen Klassifikationen bieten sollen. Auch nationale Initiativen wie BIMeta versuchen, die Strukturierung digitaler Baudaten zu harmonisieren, u. a. durch Integration der VDI 3805 mit anderen Systematiken. Die VDI 3805 selbst wird zudem in die ISO 16757 überführt (siehe Abschnitt 4.3), was mittelfristig die globale Kompatibilität verbessern wird.
Nichtsdestotrotz gilt: Innerhalb eines proprietären BIM-Workflows entfaltet VDI 3805 sofort ihren Nutzen. Sofern Planer und Betreiber eine gemeinsame Softwareumgebung nutzen (etwa Revit + CAFM-Tool mit direktem Plugin), können die VDI-3805-Daten nahtlos durchgereicht werden. Es empfiehlt sich, bereits bei der BIM-Projektplanung festzulegen, welche Daten ins IFC überführt werden müssen und wie Sonderfälle behandelt werden (z. B. welche Parameter im IFC-Modell verpflichtend gefüllt sein sollen, um FM-Anforderungen zu genügen). Ggf. können in den VDI-3805-Datensätzen zusätzliche benutzerdefinierte Felder eingeführt werden, die dann im IFC als sogenannte Property Sets auftauchen. Die Norm ISO 16757 Teil 4 wird sich explizit mit der Interaktion zwischen dem ISO-Produktdatenmodell und anderen BIM-Standards (insb. IFC) befassen. Bis dahin liegt es an Softwareherstellern und Anwendern, pragmatische Lösungen zu finden, um die reichhaltigen VDI-Produktdaten in den offenen Datenaustausch zu integrieren.
Digitale Schnittstellen zu anderen Datenquellen und Systemen
Neben BIM und CAD existieren weitere digitale Schnittstellen, in denen VDI 3805 eine Rolle spielt oder spielen kann. Eine davon ist die Kopplung mit kaufmännischen Systemen. Wie in Abschnitt 2.2 erwähnt, erlaubt die VDI 3805 über die Artikelnummern die Verknüpfung zu Ausschreibungstexten (STLB-Bau) oder Preisdatenbanken (Datanorm). In der Praxis bedeutet das: Ein Planer kann aus dem BIM-Modell eine Auszugsliste der eingesetzten Komponenten generieren und hat über die Artikelnummern direkt Zugriff auf standardisierte Leistungsbeschreibungen sowie aktuelle Preisansätze. Dies erleichtert die Angebotskalkulation und das Kostenmanagement im Projekt. Für das Facility Management ist insbesondere interessant, dass beim späteren Betrieb z. B. eine Nachbestellung von Ersatzteilen oder Verbrauchsmaterialien (Filtermatten etc.) direkt aus der digitalen Anlage heraus erfolgen könnte – das CAFM-System könnte auf Basis der Artikelnummern Bestellvorgänge an ein ERP-System auslösen. Voraussetzung ist natürlich, dass die Wertschöpfungskette digital integriert ist, aber VDI 3805 liefert zumindest den Schlüssel (Key), um technische und kaufmännische Welt zu verbinden.
Ein weiterer Bereich ist die Energieeffizienz- und Nachhaltigkeitsbewertung. Digitale Produktdaten können in Energieanalyse-Software einfließen. Beispielsweise lassen sich aus VDI-3805-Datensätzen Informationen für die Simulationssoftware ziehen (z. B. Leistungskennlinien von Ventilatoren für dynamische Gebäudesimulationen). Auch die Einhaltung von Normen und gesetzlichen Vorgaben – wie der deutschen GEG (Gebäudeenergiegesetz) oder Förderrichtlinien (KfW-Effizienzhaus-Nachweis) – kann durch standardisierte Daten unterstützt werden. Ein Beispiel: Die Software DIN V 18599-Berechnung verlangt für Lüftungsanlagen u. a. den SFP-Wert (Specific Fan Power) oder den Wärmerückgewinnungsgrad. Wenn solche Kennwerte im VDI-Datensatz stehen, können sie automatisch übernommen werden, statt manuell eingetippt zu werden – was wiederum Fehler vermeidet. Auch für den Nachweis gegenüber Fördergebern (z. B. KfW) können digitale Produktdaten herangezogen werden, indem man zeigt, dass nur Komponenten mit bestimmten Effizienzkriterien eingesetzt wurden.
Die Gebäudeautomation und Messdatenauswertung stellt eine weitere Schnittstelle dar. Moderne GA-Systeme könnten, wie in Abschnitt 3.2 angedeutet, auf die statischen Produktdaten zurückgreifen, um Regeln oder Auswertungen zu fahren. Ein Beispiel: Störmeldungen könnten intelligenter erfolgen, wenn der GA bekannt ist, welches Gerät genau betroffen ist. Meldet ein Differenzdrucksensor ein Zusetzen des Filters, könnte das System automatisch die im VDI-3805-Datensatz hinterlegte Filter-ID und -klasse mitgeben und eine empfohlene Aktion („Filter F7 tauschen“) generieren. Für solche Anwendungen bräuchte es eine Kopplung zwischen BMS und dem BIM/CAFM-Datenmodell, die aber technisch machbar ist (über IoT-Plattformen oder direkt via APIs). Standards wie BACnet (ISO 16484-5) definieren zwar die Kommunikationsprotokolle, aber keine Produktmodell-Daten – hier könnten Ansätze der smarten Instandhaltung ansetzen, die VDI-3805-Daten für die Automation nutzbar machen. Beispielsweise wird in Forschungsprojekten daran gearbeitet, aus Betrieb und Verbrauchsdaten KI-gestützt Optimierungen abzuleiten; die Ergebnisse solcher Analysen sind umso besser, je mehr Wissen über die Anlage vorliegt – und genau dieses Wissen liefert die standardisierte Produktdatenbank.
Nicht unerwähnt bleiben sollte die Verzahnung mit internationalen Klassifikationsstandards. In der Bau- und FM-Welt existieren Systeme wie OmniClass, UniClass, Masterformat (vor allem im angelsächsischen Raum) oder COBie (eine Übergabestruktur für FM-Daten). Die VDI 3805 adressiert vorrangig die technischen Merkmale der Produkte; jedoch könnte man die VDI-Objekte auch mit solchen Klassifikationen taggen. Beispielsweise könnte ein VDI-3805-Datensatz eines Lüftungsgeräts zusätzlich einen OmniClass-Code für „Air Handling Units“ tragen. Dies würde im internationalen Datenaustausch helfen, die Einordnung zu erleichtern. Auch ETIM (ein Merkmalstandard im elektrotechnischen und SHK-Bereich) ist relevant: Tatsächlich erwähnt Fraunhofer ISE in seiner Forschung die Kombination von VDI 3805 und ETIM. ETIM liefert fest definierte Merkmale für Produkte, vor allem im Handel, während VDI 3805 die Strukturen für TGA-Bauteile bietet. Eine Mappung zwischen VDI 3805 und ETIM könnte dazu dienen, digitale Produktkataloge nicht nur im Planungsprozess, sondern auch im Handels- und Logistikumfeld konsistent zu nutzen. Der Endanwender im FM-Bereich würde davon profitieren, weil z. B. die Beschaffung von Ersatzteilen (die oft via ETIM oder eCl@ss klassifiziert sind) mit der internen technischen Datenbank (VDI 3805) reibungslos funktioniert.
Insgesamt zeigt sich, dass VDI 3805 als Drehscheibe im Informationsmodell fungiert: Sie verbindet das Bauwerksmodell (Geometrie, BIM) mit technischen Berechnungen, mit kaufmännischen Daten und perspektivisch sogar mit Echtzeit-Betriebsdaten. Diese umfassende Konnektivität ist eine wesentliche Voraussetzung für die vielzitierte „Optimierung ganzer Wertschöpfungsketten“ im Bauwesen durch Digitalisierung. Die Richtlinie schafft Aktualität und Transparenz in den Daten und bietet somit eine Grundlage, um die derzeit oft noch getrennten Bereiche Planen-Bauen-Betreiben näher zusammenzuführen.
Von VDI 3805 zu ISO 16757: Internationalisierung und Zukunftssicherheit
Ein besonders wichtiger Aspekt der Schnittstellenbetrachtung ist die Weiterentwicklung der VDI 3805 zur internationalen Norm ISO 16757. Schon seit einigen Jahren läuft im ISO/TC 59/SC 13 (Arbeitsgruppe BIM-Datenstrukturen) die Arbeit an dieser Norm, die den Titel „Data structures for electronic product catalogues for building services“ trägt. ISO 16757 soll den von VDI 3805 etablierten Standard weltweit verfügbar machen und harmonisieren. Dabei orientiert sich die Struktur der ISO weitgehend an der VDI 3805, um eine einfache Konvertierbarkeit zu gewährleisten. Die grundlegenden Konzepte – wie die hierarchische Datenmodellierung, die Trennung von Geometrie und technischen Eigenschaften, sowie die Abbildung von Funktionen – bleiben erhalten. Lediglich die Syntax der Datenspeicherung verändert sich: Während VDI 3805 bisher vor allem auf einer proprietären textbasierten Beschreibung (ähnlich XML) basste, wird ISO 16757 eine etwas andere Form (möglicherweise XML/JSON Schema im ISO-Stil) verwenden. Wichtig ist: Dateninhalte und grundsätzliche Struktur bleiben unverändert, sodass bestehende VDI-3805-Datensätze weiter nutzbar sind und perspektivisch in ISO-16757-Daten konvertiert werden können.
ISO 16757 ist modular aufgebaut. Teil 1 (2015 veröffentlicht) behandelt Konzepte, Architektur und Modelle der Produktdatenaustausch-Norm. Teil 2 (2016 veröffentlicht) spezifiziert die Geometrie-Beschreibung, wobei hier nahezu 1:1 die Angaben aus VDI 3805 übernommen wurden. Teil 3 wird Programmieraspekte und Funktionen (also die erwähnten Formeln/Kennlinien) standardisieren, Teil 4 die Interaktion mit anderen BIM-Standards (IFC etc.) und Teil 5 das Austauschformat definieren. Ab Teil 10 sollen dann – analog zur VDI-Reihe – die produktspezifischen Daten folgen. Diese Arbeiten sind noch im Gange und werden vermutlich erst nach Abschluss der Grundlagen-Teile starten. Bis dahin behält die VDI 3805 in der Praxis Gültigkeit, vermutlich mit einer Übergangsfrist, während der beide Standards parallel nutzbar sind.
Für Anwender in Deutschland (und allgemein in Europa) bedeutet dies, dass VDI 3805 bereits einen Vorsprung geschaffen hat, der nun in die internationale Normung einfließt. Organisationen wie BDH, VDMA und VDI selbst treiben diese Internationalisierung aktiv voran. In einer gemeinsamen Position fordern die Branchenverbände sogar die öffentliche Hand auf, VDI 3805 bzw. ISO 16757 beim BIM-Einsatz als Stand der Technik anzuerkennen. Die Überführung in ISO-Formate wird es nicht nur erleichtern, VDI-Daten in internationalen Projekten zu verwenden, sondern auch, sie mit den US-amerikanischen Standards (ASHRAE etc.) kompatibler zu machen (siehe Kapitel 5). Interessant ist, dass ISO 16757 auf ISO 13584 (ein allgemeines Datenmodell für industrielle Produktkataloge) zurückgreift – damit ist eine Brücke zu anderen Industriebereichen geschlagen.
Sobald ISO 16757 vollständig etabliert ist, wird der VDI seine Richtlinienarbeit in diesem Bereich einstellen bzw. auf ISO verlagern. Die VDI 3805 bleibt noch für eine Übergangszeit gültig, aber künftige Aktualisierungen werden vom ISO-Komitee kommen. Für Anwender ist es beruhigend zu wissen, dass die investierte Arbeit in VDI-konforme Daten keineswegs verloren ist – im Gegenteil, diese Daten formen ja den Kern der ISO-Norm. So ist die Zukunftssicherheit der einmal eingeführten Datenstandards hoch.
Abschließend sei erwähnt, dass Deutschland mit VDI 3805 eine Vorreiterrolle hatte und hat: Bereits lange bevor BIM zum Schlagwort wurde, existierte mit VDI 3805 ein funktionierender Standard für digitale Produktdaten. Dieses Wissen fließt nun in die weltweite Normung ein. Für ein deutsches FM-Team, das VDI 3805 im Einsatz hat, bedeutet dies, dass man auch international gut aufgestellt ist – sollte beispielsweise ein internationales Portfolio gemanagt werden oder ein ausländischer Dienstleister involviert sein, kann man auf ISO 16757 verweisen. Die Kompatibilität mit globalen Entwicklungen ist somit gegeben, was wiederum die Investitionssicherheit in die Digitalisierung der Gebäudetechnik erhöht.
Kompatibilität der VDI 3805 mit anderen relevanten Normen
In einem komplexen Umfeld wie der Gebäudetechnik existiert eine Vielzahl von Normen und Richtlinien. Dieses Kapitel bewertet, wie die VDI 3805 mit einigen der wichtigsten Regelwerke im Bereich Raumlufttechnik und FM zusammenhängt bzw. kompatibel ist. Im Fokus stehen VDI 6022 (Hygiene), DIN EN 16798 (Raumlufttechnik/Energieeffizienz), ISO 16484 (Gebäudeautomation) sowie relevante Standards der ASHRAE (American Society of Heating, Refrigerating and Air-Conditioning Engineers).
VDI 6022 (Raumlufttechnik und Raumluftqualität – Hygieneanforderungen)
VDI 6022 ist die in Deutschland maßgebliche Richtlinie für die Hygiene von Raumlufttechnischen Anlagen und Geräten. Sie definiert Anforderungen an Planung, Ausführung, Betrieb und Instandhaltung, um gesundheitlich zuträgliche Raumluftqualität sicherzustellen. Der Geltungsbereich erstreckt sich auf alle Aufenthaltsräume in Gebäuden und betrifft „alle RLT-Anlagen und -Geräte und deren zentrale und dezentrale Komponenten, die die Zuluftqualität beeinflussen“. Dazu gehören also insbesondere Lüftungszentralen, Kanalsysteme, Befeuchter, Filter, Kühleinheiten etc. Für Betreiber bedeutet VDI 6022, dass regelmäßige Hygienekontrollen (i. d. R. alle 2 Jahre für RLT-Anlagen) und entsprechende Wartungsmaßnahmen durchzuführen sind (z. B. Filterwechsel, Reinigung von Tropfenabscheidern, Inspektion von Befeuchterwannen auf Keimfreiheit usw.).
Wie verträgt sich nun VDI 3805 mit diesen Hygieneanforderungen? Zunächst einmal ist festzustellen, dass beide Richtlinien unterschiedliche Zielsetzungen haben: VDI 6022 gibt Inhaltsvorgaben und Prozesse vor, während VDI 3805 ein Datenformat bereitstellt. Eine direkte „Kompatibilität“ im Sinne technischer Schnittstellen besteht insofern nicht.
Dennoch gibt es Synergien:
Dokumentation von Hygienemerkmalen: VDI 6022 fordert z. B., dass bestimmte Komponenten aus korrosionsbeständigen, leicht zu reinigenden Materialien bestehen müssen, oder dass Filter der Kategorie ISO ePM1 regelmäßig zu wechseln sind. Solche Informationen (Material, Filterklasse, empfohlene Wechselintervalle) können in den VDI-3805-Datensätzen abgebildet sein. Wenn Hersteller z. B. angeben, dass ihr Wärmetauscher VDI 6022-konform ist, könnte dies als Attribut „Hygienezertifikat: ja (VDI 6022)“ erfasst werden. VDI 3805 bietet hier die Möglichkeit, auf freiwilliger Basis solche Eigenschaften einzufügen. Standardmäßig ist in der Richtlinie so etwas zwar nicht vorgegeben, aber herstellerspezifische Erweiterungen sind möglich, solange sie die Grundstruktur nicht verletzen. In Zukunft könnte auch die ISO 16757 solche Felder standardisieren, wenn der Bedarf gesehen wird.
Wartungsplanung: Wie in Abschnitt 3.3 beschrieben, kann VDI 3805 die Basis für die Wartungsplanung bilden. Für VDI 6022 besonders relevante Bauteile sind etwa Befeuchter (Keimbildung vermeiden), Filter (rechtzeitiger Wechsel) und Kühler (Kondensatvermeidung). Wenn die digitalen Produktdaten diese Bauteile eindeutig kennzeichnen, kann ein CAFM-System gezielt VDI-6022-Checklisten generieren. Beispiel: Alle Geräte, die einen Befeuchter enthalten, werden halbjährlich auf Verschmutzung kontrolliert – das System weiß aus dem Datenmodell, welche Geräte Befeuchter haben und kann entsprechende Aufträge auslösen. Diese Verknüpfung zwischen Produktmerkmal und Hygienemaßnahme ließe sich ohne standardisierte Daten nur mühsam manuell pflegen.
Schulungs- und Verantwortlichkeitsnachweis: VDI 6022 verlangt geschultes Personal für Hygienetätigkeiten. Zwar ist dies mehr organisatorisch, aber wenn die Anlagen digital erfasst sind, könnte man z. B. jedem Eintrag entnehmen, wer zuletzt gewartet hat und ob er die nötige Qualifikation hatte. Das ließe sich z. B. als Notiz im Datensatz führen. Hier ist kein direkter Standardbezug, aber digitale Systeme können Normkonformität unterstützen.
Es lässt sich sagen, dass VDI 3805 die Umsetzung der VDI 6022 erleichtert, indem sie die notwendigen Daten für Hygieneinspektionen und -maßnahmen bereitstellt bzw. strukturierbar macht. Die Richtlinien selbst widersprechen sich nicht – VDI 6022 nennt keine bestimmten Datenformate, fordert aber z. B. Dokumentation über Reinigungen. VDI 3805 kann diese Dokumentation digital ermöglichen. Insofern besteht eine komplementäre Beziehung: VDI 6022 gibt vor was zu tun ist, VDI 3805 hilft dabei, wie die dazu erforderlichen Daten gehandhabt werden. Ein konkretes Beispiel: Ein zentraler Lüftungsgeräte-Datensatz könnte Felder für „Hygieneinspektion fällig alle X Monate“ enthalten – abgeleitet aus VDI 6022-Vorgaben – und diese Info dem FM anzeigen. Hier würde Norminhalt in Datensatz überführt.
DIN EN 16798 (Energetische Leistung der Lüftung – europäische Normenreihe)
Die Normenreihe DIN EN 16798 (Nachfolger der EN 13779 und EN 15251) behandelt verschiedene Aspekte der Lüftung und Raumluftqualität in Gebäuden, insbesondere im Kontext der Energieeffizienz. Relevant sind u. a.: Teil 1 (Raumluftkonditionen in Innenräumen, ersetzt EN 15251), Teil 3 (Lüftungsanforderungen für Nichtwohngebäude, ersetzt EN 13779) sowie Teil 17 (Inspektion von Lüftungsanlagen, ersetzt EN 15239). Diese Normen geben Planern und Betreibern Leitlinien an die Hand, wie viel Außenluft bereitzustellen ist, welche Luftqualitätskategorien einzuhalten sind, wie Lüftungsanlagen energieeffizient zu gestalten sind und wie regelmäßig Inspektionen stattfinden sollen (Teil 17 z. B. fordert energetische Inspektionen ähnlich wie die Klimaanlageninspektion nach EnEV/GEG).
Die Kompatibilität von VDI 3805 mit EN 16798 liegt in der Unterstützung bei der normgerechten Auslegung und Nachweisführung:
Planungsdaten: EN 16798-3 (für Nichtwohngebäude) gibt Empfehlungen für Auslegungswerte wie Temperaturwirkungsgrade von Wärmerückgewinnung, Filterdruckverluste, spezifische Ventilatorleistung etc. Ein Planer, der VDI-3805-Daten nutzt, hat diese Werte pro Produkt vorliegen. So kann er beispielsweise überprüfen, ob ein ausgewähltes Lüftungsgerät die Anforderungen der Kategorie HRS (Heat Recovery System) aus EN 16798-3 erfüllt, indem er den im Datensatz angegebenen Wärmerückgewinnungsgrad mit dem in der Norm geforderten Minimum vergleicht. Auch die SFP-Kenngröße (Specific Fan Power) einer Anlage lässt sich aus den Daten berechnen (Ventilatorleistung vs. Volumenstrom) und mit Normwerten abgleichen. VDI 3805 liefert also die Datenbasis, um die Konformität mit EN 16798-3 zu evaluieren.
Betriebsoptimierung: Teil 17 der EN 16798 fordert regelmäßige Überprüfung der Lüftungsanlage auf energetisch ineffizienten Betrieb (z. B. unnötig hoher Druckverlust, defekte WRG, falsche Steuerungszeiten). Die digitale Verfügbarkeit aller Komponentenkennwerte erleichtert solche Inspektionen enorm. Ein Inspektor kann z. B. aus dem CAFM-System entnehmen, welche Ventilatoren verbaut sind und welche Effizienzklasse deren Motoren haben. Stellt er fest, dass die Motoren veraltet sind (z. B. IE1), kann er zur Modernisierung raten. Ohne digital standardisierte Daten müsste er vor Ort Typenschilder suchen oder in Akten wühlen. Hier zeigt sich: VDI 3805 steigert die Effektivität von Norminspektionen, was letztlich der Umsetzung von EN 16798-17 dient.
Raumluftqualität und Regelszenarien: Teil 1 der EN 16798 definiert Kategorien für Raumluftqualität (CO₂-Konzentration, Lüftungsraten pro Person etc.). Zwar betrifft dies mehr die Nutzung, aber wenn man beispielsweise bedarfsgeführte Lüftung hat, können VDI-3805-Daten (etwa Sensor- und Stellwerte von Volumenstromreglern) dazu dienen, ein Monitoring aufzubauen, das Normvorgaben einhält. Indirekt unterstützt VDI 3805 damit auch die Einhaltung der Luftqualitätsniveaus, indem alle Geräte so parametrisiert werden können wie in der Norm vorgesehen (z. B. ist die Katalogangabe der minimal regelbaren Luftmenge eines VAV-Kastens relevant, um zu wissen, bis zu welcher Grenze man abregeln kann, ohne unter die hygienische Mindestfrischluft zu fallen).
Man kann also sagen: VDI 3805 und EN 16798 ergänzen sich. EN 16798 liefert das Was und Wie viel, VDI 3805 liefert das Womit. Die Norm verlangt vom Planer z. B. einen Nachweis, dass die Lüftungsanlage energieeffizient ist; VDI 3805 stellt sicher, dass dem Planer die Herstellerdaten zur Effizienz vorliegen, um dies nachzuweisen (sei es im Rechenprogramm oder in der Dokumentation). Insofern fördert VDI 3805 die Konformität mit europäischen Lüftungsstandards, da sie hilft, deren Anforderungen im digitalen Modell abzubilden.
ISO 16484 (Building Automation and Control Systems – BACS)
ISO 16484 ist eine mehrteilige Normenreihe für Gebäudeautomations- und Steuerungssysteme. Besonders bekannt daraus ist Teil 5, der den Kommunikationsstandard BACnet spezifiziert (ISO 16484-5). Andere Teile behandeln bspw. Funktionen, Projektierung und Anwendungsfallbeschreibungen von GA-Systemen. Diese Normen sind zentral für die Interoperabilität von Automationsgeräte (DDC-Controller, Sensoren/Aktoren) unterschiedlicher Hersteller im Gebäude.
Auf den ersten Blick erscheint VDI 3805 weit entfernt von ISO 16484, da es ja nicht um Feldbus-Protokolle oder Steueralgorithmen geht, sondern um statische Produktdaten.
Doch es gibt Berührungspunkte:
Datenpunktlisten: Bei der Integration einer Anlage in die Gebäudeautomation wird eine Datenpunktliste erstellt (welche Sensoren/Aktoren sind vorhanden, welche Werte werden gesteuert/gelesen). Wenn der RLT-Anlagenaufbau digital nach VDI 3805 vorliegt, kann daraus zum Teil schon abgeleitet werden, welche Messstellen es geben muss. Beispiel: Ein VDI-Datensatz eines Lüftungsgeräts enthält typischerweise Module „Filter“, „Ventilator“, „WRG“ etc. Daraus folgt, dass in der GA wahrscheinlich Differenzdrucksensoren an Filtern, Volumenstrommesser am Ventilator, Temperaturfühler vor/nach WRG etc. vorhanden sein sollten. Ein findiger GA-Planer könnte mit einem BIM-zu-GA-Tool diese Informationen nutzen, um automatisch Vorschläge für Datenpunkte zu generieren. Zwar standardisiert ISO 16484 so etwas nicht direkt, aber es definiert objektorientierte Modelle (in BACnet gibt es Objekttypen für z. B. „Analog Input“ etc.). Es ließe sich eine Zuordnung von VDI-3805-Objekt (z. B. Filterstufe) zu BACnet-Objekt (z. B. analoges Objekt „FilterDifferenzdruck“) denken. Die Idee ist: VDI 3805 beschreibt, was die Anlage enthält; ISO 16484/BACnet beschreibt, wie man mit ihr kommuniziert. Eine Verknüpfung schafft echte Durchgängigkeit vom Planungsmodell zur Automation.
Störmeldungen und Anlagenbilder: In GA-Systemen werden oft Anlagenbilder hinterlegt (Diagramme der RLT-Anlage) und Alarmmeldungen konfiguriert. Der VDI-3805-Datensatz einer Anlage könnte als Grundlage dienen, automatisch ein Anlagenbild zu generieren – schließlich kennt er alle Komponenten und deren Verbindung (z. B. erst Filter, dann Ventilator, dann WRG etc.). Zwar mag ein MSR-Fachingenieur sein Schema weiterhin manuell erstellen, doch perspektivisch ist es denkbar, dass diese Informationen aus dem BIM-Modell generiert werden. Wenn dann im Betrieb ein Alarm „Ventilator Ausfall“ kommt, könnte das System aus dem Datenmodell entnehmen, welcher Ventilator (Hersteller, Typ) und kontextualisieren, wie wichtig das ist (z. B. ob ein zweiter in Reihe ist). Solche intelligenten Alarme könnten durch VDI 3805 verbessert werden, indem die statischen Merkmale ins GA-System einfließen.
Raumautomation: ISO 16484 umfasst auch die Regelung auf Raumebene (Temperatur, CO₂ etc.). Wenn ein VDI-3805-Datensatz z. B. einen Volumenstromregler mit bestimmten Regelfähigkeiten beschreibt (Min/Max-Volumenstrom), dann kann die Gebäudeautomation diese Parameter direkt initialisieren. So entfällt manuelle Eingabe im Inbetriebnahmeprozess. Dies setzt natürlich voraus, dass die Hersteller ihre Geräteprofile in der GA-Welt zur Verfügung stellen. Teilweise geschieht das heute proprietär (z. B. via Produktdatenbanken der GA-Hersteller). Ein offener Standard wie VDI 3805/ISO 16757 könnte hier Vereinheitlichung bringen.
Kurz gesagt: VDI 3805 und ISO 16484 decken unterschiedliche Ebenen ab – die Ausrüstung vs. die Steuerung. Kompatibilität entsteht durch Datenintegration. Indem VDI-3805-Daten in GA-Engineering-Tools oder in BACnet/SCADA-Systeme importiert werden, lässt sich die Inbetriebnahme beschleunigen und die Qualität steigern. Es gibt (noch) keinen formalisierten Abgleich der beiden Normen, aber Initiativen wie die VDMA AG BIM GA & ET arbeiten genau an solchen Themen. So wurden z. B. in 2024 neue VDI-3805-Blätter für Gebäudeautomation veröffentlicht, was darauf hindeutet, dass die Datenschemen nun auch Automationsgeräte (Sensoren, Aktoren, Steuerungen) erfassen. Diese Datensätze könnten Parameter wie Messbereiche, Kommunikationsadressen etc. enthalten. Die Softwarehäuser nutzen bereits die VDI-3805-Bauteilbeschreibungen, um Komponentenlisten um GA und Elektrotechnik zu erweitern. Dadurch wird „eine schnellere und präzisere Modellierung von Bauprojekten ermöglicht, da Planer auf eine umfangreiche und standardisierte Sammlung von Bauteilen zurückgreifen können“ – inklusive GA-Komponenten. Wenn diese GA-Komponenten erst im BIM sind, ist der Schritt zur GA-Programmierung deutlich kürzer. Somit stellt sich die Kompatibilität von VDI 3805 mit ISO 16484 primär als Vereinbarkeit der Datenmodelle dar, an der aktuell gearbeitet wird. Im Sinne der Anwender ist das positiv, denn je nahtloser die Planung von GA aus dem BIM erfolgt, desto weniger Brüche gibt es.
Auswirkungen auf Wirtschaftlichkeit, Nachhaltigkeit und Energieeffizienz im Gebäudebetrieb
Die Einführung und Nutzung der VDI 3805 hat spürbare Auswirkungen auf verschiedene übergeordnete Ziele im Gebäudebetrieb – insbesondere auf die Wirtschaftlichkeit, Nachhaltigkeit und Energieeffizienz. Im Folgenden werden diese Aspekte analysiert, wobei klar wird, dass die standardisierten digitalen Produktdaten ein wichtiger Enabler sind, um Optimierungspotenziale auszuschöpfen.
Wirtschaftlichkeit über den Lebenszyklus
Eine der unmittelbarsten Auswirkungen der Nutzung von VDI 3805 ist eine Steigerung der wirtschaftlichen Effizienz über den Lebenszyklus der Anlagen. Bereits in der Planungsphase können durch den Einsatz digitaler Produktdaten Planungsfehler und Kollisionen vermieden werden, was teure Nacharbeiten während der Bauausführung reduziert. Die Planenden haben Zugriff auf vollständige und korrekte Informationen, wodurch z. B. Überdimensionierungen vermieden werden können – eine Anlage wird auf Basis realer Herstellerkennwerte und nicht nach groben Schätzungen dimensioniert. Das vermeidet unnötige Investitionskosten (nicht zu groß dimensionierte Komponenten) und Folgekosten (überhöhter Energieverbrauch bei Teillast durch Oversizing).
Während des Betriebs sorgt eine gute Datenbasis für kürzere Ausfallzeiten und effizientere Instandhaltung, wie in Kapitel 3.3 diskutiert. Wirtschaftlich betrachtet bedeutet das: Ein Defekt kann schneller behoben werden (geringere Stillstandskosten, z. B. bei ausgefallener Lüftung, die Produktion oder Komfort beeinträchtigt), Ersatzteile können vorausschauend beschafft werden (Vermeidung von Eilzuschlägen), und Wartungen können besser geplant werden (Effizienz der Techniker-Einsätze steigt, geringerer Personalaufwand durch zielsichere Abarbeitung). Summiert man diese Effekte über Jahre und Jahrzehnte, ergibt sich ein beträchtliches Einsparpotenzial. Untersuchungen (wie im FM-typischen Pareto 1:5:200 Modell) deuten an, dass Planungskosten nur ~1 % der Gesamtkosten ausmachen, Baukosten ~5 % und Betrieb ~94 %. Selbst kleine prozentuale Verbesserungen im Betrieb machen daher absolut viel aus. Mit BIM und VDI 3805 lassen sich, wie erwähnt, 10–20 % der Lebenszykluskosten einsparen, was insbesondere bei großen Portfolios (z. B. Immobilien einer Universität oder eines Konzerns) Millionenbeträge bedeuten kann.
Zudem ermöglicht die Standardisierung eine bessere Ausschöpfung von Garantie- und Gewährleistungsansprüchen. Oft gehen im Betrieb solche Ansprüche unter, weil Dokumentation fehlt oder unsortiert ist. Wenn aber alle Geräte digital erfasst sind und z. B. Kauf-/Inbetriebnahmedatum und Garantiedauer als Attribute hinterlegt sind, kann das System automatisch flaggen, wenn ein Bauteil ausfällt, das noch unter Garantie steht. Dann kann der Betreiber kostenfrei Ersatz erhalten, statt auf eigene Kosten zu reparieren. Auch können Service-Level-Agreements mit Dienstleistern effizienter überwacht werden, da man exakte Leistungsdaten und Betriebsstunden vorliegen hat, um etwa die Einhaltung von Wartungsverträgen (z. B. „monatliche Filterkontrolle“) zu prüfen.
Bei Modernisierungen hilft VDI 3805, die Investitionskosten zielgerichtet einzusetzen (Kap. 3.4): Durch datenbasiertes Asset Management wird Geld genau dort investiert, wo der Return on Investment am höchsten ist (z. B. Austausch eines besonders ineffizienten Ventilators, der sich in 3 Jahren amortisiert). Somit trägt VDI 3805 indirekt zur Kapitalwertsteigerung einer Immobilie bei, denn eine gut dokumentierte, optimal betriebene technische Anlage erhält den Gebäudewert und senkt die Betriebskosten – zwei wichtige Kriterien in der Immobilienbewertung. Gebäude mit niedrigen Betriebskosten und nachgewiesenermaßen guter Instandhaltung erzielen höhere Marktwerte. Insofern kann man argumentieren, dass Digitalisierung durch VDI 3805 auch betriebswirtschaftliche Vorteile bringt, die über die reinen Einsparungen hinausgehen (z. B. höhere Mieteinnahmen, weil man dem Mieter niedrige NK bieten kann, oder bessere Nachhaltigkeitszertifikate, die den Marktwert erhöhen).
Auch auf Seiten der Hersteller und Dienstleister generiert die Standardisierung wirtschaftliche Vorteile, welche letztlich an die Kunden weitergegeben werden können: Hersteller müssen – wenn VDI 3805 als Quasi-Standard etabliert ist – nicht mehr individuelle Datenformate für jeden Planer oder Ausschreiber pflegen, sondern können sich auf ein Format konzentrieren. Dies minimiert deren Aufwand und gewährleistet hohe Datenqualität. Softwarehersteller wiederum können Schnittstellen einmal bauen und vielfach nutzen. Die Kosten der Digitalisierung sinken damit für alle Beteiligten. Dieser Skaleneffekt führt mittelfristig dazu, dass digitale Produktdaten als selbstverständlicher Teil des Produktangebots angesehen werden, ohne Extrakosten. Früher zahlte man als Kunde evtl. noch für eine CD mit CAD-Daten; heute sind die VDI-3805-Daten kostenfrei über Portale erhältlich. Aus FM-Sicht ist das ideal: keine Kosten für Datenerfassung, aber Nutzen aus den Daten.
Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit
Nachhaltigkeit in Gebäuden umfasst ökologische, ökonomische und soziale Aspekte. VDI 3805 leistet hier auf mehreren Ebenen Beiträge:
Ökologisch fördert sie ressourcenschonende Planung. Durch präzise Auslegung können Materialien und Energie eingespart werden (z. B. kleinere Kanaldurchmesser, wenn Volumenstrom exakt ermittelt; keine überflüssigen Reserveaggregate etc.). Außerdem ermöglicht sie die Integration von Anlagen in ökologische Bilanzierungen. Bei Nachhaltigkeitszertifikaten (DGNB, LEED, BREEAM) müssen Materialinformationen, Energiebedarfe und technische Nachweise geliefert werden. Ein digitaler Produktdatensatz kann dafür genutzt werden, z. B. um ODP/GWP-Werte von Kältemitteln auszugeben, Schallleistungspegel nachzuweisen (für Komfortkriterien) oder Materialien der Geräte für eine Lebenszyklusanalyse zu übergeben. Einige dieser Datenpunkte sind (noch) nicht in VDI 3805 standardmäßig vorgesehen, könnten aber ergänzt werden. Bereits jetzt aber können Planer mit vorhandenem Datenmaterial nachhaltigere Entscheidungen treffen – etwa zwischen zwei Klimageräten dasjenige wählen, das den höheren Wärmerückgewinnungsgrad hat, weil dieser Wert direkt vergleichbar vorliegt.
Ein oft übersehener Nachhaltigkeitsaspekt ist die Vermeidung von Abfall und Verlängerung der Nutzungsdauer technischer Anlagen. Mit einer lückenlosen digitalen Wartungshistorie kann man Anlagen gezielt so betreiben, dass sie ihre Lebensdauer voll ausschöpfen (nicht zu früh ersetzen aus Unwissenheit, aber auch nicht durch schlechte Wartung vorzeitig verschleißen lassen). Zudem erleichtert VDI 3805 die Wiederverwendung von Komponenten: Wenn z. B. ein Gebäude abgerissen wird, könnten funktionstüchtige Teile in anderen Liegenschaften weitergenutzt werden – die digitalen Daten würden genau zeigen, was wo eingebaut war. Dies passt zum Gedanken der Circular Economy. Die Norm selbst adressiert das nicht direkt, doch sie schafft die Voraussetzung, dass man so etwas überhaupt erwägen kann, weil Transparenz über die Eigenschaften besteht.
Soziale Nachhaltigkeit im Sinne von Nutzerkomfort und Gesundheit wird ebenfalls unterstützt, denn durch akkurate Produktdaten lässt sich Raumklima besser regeln (siehe ASHRAE 55, Behaglichkeit) und Luftqualität sicherstellen (VDI 6022). Indirekt trägt das zu gesünderen, produktiveren Innenraumumgebungen bei. Ein FM-Gruppenleiter kann dank der Datenfeinheit auch besser mit Nutzern kommunizieren – etwa bei Beschwerden über Zugluft konkrete Werte prüfen und ggf. Maßnahmen (z. B. Drosselung eines Auslasses) belegen. Solche evidenzbasierten Anpassungen erhöhen die Zufriedenheit im Gebäude.
Bezüglich Zukunftsfähigkeit lässt sich sagen: Ein Gebäude, dessen technisches Gedächtnis digital vorhanden ist, kann viel leichter an neue Anforderungen angepasst werden. Das ist nachhaltig im Sinne von zukunftssicher. Beispielsweise werden in 10 Jahren ggf. neue Klimaziele oder Vorschriften gelten; mit den vorhandenen Daten kann man Simulationen durchspielen, ob die Anlage diese erfüllt oder was zu tun ist. Ohne Daten müsste man Messkampagnen fahren oder auf Annahmen zurückgreifen. Die Flexibilität steigt also, auf zukünftige Veränderungen zu reagieren – sei es Klimawandel (Temperaturanstieg – packt die Kälteanlage das noch?), neue Nutzungen (Labor statt Büro – reicht die Lüftung?) oder technische Innovationen (kann ich z. B. eine KI-Steuerung implementieren, habe ich alle Schnittstellendaten?). Ein digitalisiertes Gebäude ist hier klar im Vorteil gegenüber einem „Black-Box“-Gebäude.
Auch normative Zukunft: die EU und Deutschland pushen BIM im öffentlichen Sektor. Es ist zu erwarten, dass auch FM-Datenübergaben immer mehr gefordert werden (Stichwort: Betreiberverantwortung digital dokumentieren). VDI 3805 gilt in der Praxis schon jetzt als „gelebter Standard“. Der BDH fordert, dass die Regierung ihn als Stand der Technik anerkennt – was im Prinzip bedeutet, dass es Best Practice ist, ihn zu verwenden. Ein FM, der sich heute damit auseinandersetzt, ist also zukunftsorientiert und wird auf kommende Vorgaben vorbereitet sein. Man kann argumentieren, dass, wer heute VDI 3805 ignoriert, künftig einen Wettbewerbsnachteil hat – sei es als Dienstleister oder als interner Betreiber – weil die Branche sich darauf zubewegt, Daten zu verlangen. Somit ist die Beschäftigung mit VDI 3805 auch aus strategischer Sicht nachhaltig für Organisationen, da sie Kompetenz aufbauen, die immer gefragter wird.
Energieeffizienz und Klimaschutz
Energieeffizienz ist ein zentrales Motiv in der Gebäudetechnik, getrieben durch Klimaschutzvorgaben und Kostendruck. Raumlufttechnik hat hier einen großen Hebel, da Lüftungs- und Klimaanlagen oft 30–50 % des Gesamtenergiebedarfs eines Gebäudes ausmachen.
VDI 3805 beeinflusst die Energieeffizienz auf mehrere Weisen:
Genaue energetische Berechnungen: Mit standardisierten Daten lassen sich Energiebedarfsrechnungen exakt durchführen. In der EnEV-/GEG-Welt muss z. B. die SPI (Specific Fan Power Index) einer Anlage angesetzt werden. Planer haben in der Vergangenheit oft konservativ hohe Werte angesetzt, wenn sie die echten Daten nicht hatten, was zu ungünstigen Nachweisen führte. Jetzt können sie reale Werte einsetzen, was sowohl die Planung verbessert als auch die *Nachweisführung erleichtert (ggf. sind Gebäude leichter förderfähig, wenn man detailliert nachweist, dass Sparpotenziale genutzt werden).
Optimierter Betrieb: Dank der digital vorliegenden Kennlinien können Betriebsstrategien optimiert werden. Beispiel: Viele Lüftungsanlagen laufen mit konstant hoher Leistung, obwohl variabler Volumenstrom möglich wäre. Mit den Daten zur Ventilatorkennlinie und Drehzahlregelung kann die GA einstellen, wann der optimale Wirkungsgrad liegt und die Anlage darauf trimmen (z. B. nachts runterfahren, aber nicht zu weit, um ineffizienten Bereich zu vermeiden). Durch solche Feinsteuerungen sind laut Studien Einsparungen im zweistelligen Prozentbereich möglich – was jedoch einer guten Datengrundlage bedarf.
Monitoring und Benchmarking: Ein Datensatz, der Soll-Werte enthält (wie Nennwerte der Leistung), erlaubt es dem FM, den Ist-Betrieb dagegen zu halten. So erkennt man Effizienzverluste, z. B. einen steigenden Druckverlust über einem Filter (heißt Filter verstopft, Ventilator zieht mehr Energie) oder nachlassenden Kälteleistungs-Output (heißt evtl. Kältemittelverlust). Diese Dinge würden sich in reinen Verbrauchszahlen verstecken, aber im Vergleich Soll-Ist via Modell eher auffallen. Energiemonitoring profitiert also von dem digitalen Zwilling – er fungiert als Referenzmodell für den optimalen Zustand. Das ist ein großer Schritt in Richtung kontinuierliches Kommissionieren (continuous commissioning), wo man permanent überprüft, ob die Anlage im Optimum läuft.
Schnellere Anpassung an Nutzungsänderungen: Effizienz geht verloren, wenn Anlagen nicht an veränderte Bedingungen angepasst werden. Mit VDI 3805-Daten kann man schneller Szenarien rechnen und Anlagen neu einstellen. Beispiel: Büro wird Labor – Luftwechsel steigt. Habe ich ausreichende Kühlleistung? Das ließe sich umgehend bilanzieren, weil ich alle Daten parat habe. Ohne diese Daten übersieht man vielleicht Engpässe (unterkühlte Räume, weil Kühler zu klein), was dann zu Notlösungen (E-Heizer etc.) führt, die ineffizient sind. Vorausschauende Planung durch Daten verhindert solche Energie"fallen".
ErP-Konformität und Labeling: Die EU-Ökodesign-Richtlinien (ErP) verlangen von Produkten Mindestwirkungsgrade. VDI 3805 ermöglicht die Weitergabe von Produktlabels digital. Damit kann ein FM oder Planer sicherstellen, nur Geräte mit bestimmter Effizienzklasse einzusetzen. Langfristig könnte das sogar automatisiert gehen: z. B. eine Ausschreibungssoftware filtert alle Ventilatoren unter Effizienzklasse IE3 aus. Das erhöht das generelle Effizienzniveau der eingesetzten Technik.
In Summe trägt VDI 3805 also dazu bei, Energieverbräuche zu reduzieren und transparenter zu machen. Das wirkt direkt auf die CO₂-Bilanz von Gebäuden. Heutige politische Ziele (Stichwort EU Green Deal, nationale CO₂-Preis) fordern massive Einsparungen im Gebäudesektor. Ohne digitale Hilfsmittel wird das kaum erreichbar sein. Die hier beschriebenen Mechanismen durch VDI 3805 sind Bausteine einer Strategie, Gebäude smarter und grüner zu betreiben.
Man kann feststellen, dass die Investition in eine detaillierte Datenbasis sich insbesondere über die Energieeinsparung mehrfach amortisiert. Die Klimaschutzwirkung ist ebenfalls substanziell, wenn viele Gebäude ihre Lüftungsanlagen optimiert betreiben – was, auf einen Nenner gebracht, VDI 3805 erst praktikabel macht, weil man die nötigen Daten hat. So zahlt die Richtlinie auf die großen Ziele der Zeit ein: Klimaneutralität und Kostenreduktion gehen Hand in Hand, unterstützt durch digitale Standardisierung.
Herausforderungen bei der Implementierung der VDI 3805
Trotz aller Vorteile und Potenziale, die VDI 3805 bietet, ist die Implementierung in der Praxis mit verschiedenen Herausforderungen verbunden. Diese können technischer, organisatorischer und menschlicher Natur sein. In diesem Kapitel werden die wichtigsten Hürden beleuchtet, die bei der Einführung von VDI 3805 in bestehenden sowie neuen Gebäuden auftreten, und mögliche Lösungsansätze diskutiert.
Herausforderungen in Bestandsgebäuden
In bestehenden Gebäuden ist die wohl größte Herausforderung die Nachträgliche Digitalisierung der bereits verbauten Anlagen. Viele Liegenschaften – insbesondere ältere oder solche, die etappenweise gewachsen sind – haben keine konsistenten digitalen Daten zu ihren RLT-Anlagen. Pläne sind oft nur in Papier, Anlagendokumentationen lückenhaft.
Hier stellt sich die Frage: Wie bekomme ich VDI-3805-konforme Daten meiner Bestandsanlagen?
Ein Weg ist die manuelle Erfassung: d.h. Techniker gehen durchs Gebäude, nehmen jedes Gerät auf, notieren Typenschilder, suchen in Herstellerunterlagen nach den technischen Daten und übertragen diese in eine Datenbank. Das ist extrem aufwendig und fehleranfällig, gerade bei großen Objekten. Außerdem stoßen Laien dabei an Grenzen, weil manche Daten nicht frei verfügbar sind (oder nicht mehr auffindbar, wenn Hersteller nicht mehr existieren). Diese Hürde des Erfassungsaufwands hält viele Betreiber davon ab, ihre Bestände digital abzubilden.
Ein anderer Weg ist die teilautomatisierte Erfassung: Es gibt Ansätze, Pläne zu scannen, oder IoT-Sensoren zu nutzen, um Schlüsse auf Anlagen zu ziehen. Fraunhofer ISEs KI-Tools, die in 2D-Schemata Anlagen erkennen sollen, sind ein Beispiel, wie man versucht, diese Hürde mit Technologie zu adressieren. Aber das ist noch in Entwicklung und wird nicht alle Daten liefern können (z. B. erkennt ein Plan-Scan vielleicht, dass da ein Ventilator ist, aber nicht dessen Fabrikat und Kennfeld).
Der Zwischenschritt, den einige gehen, ist eine selektive Digitalisierung: Fokus auf besonders kritische Anlagen (z. B. große RLT-Zentralen in Krankenhäusern), diese sehr genau aufnehmen, und den Rest ggf. nur summarisch. Das schafft zumindest für die "Big Points" einen Nutzen. Allerdings verfehlt man so ein bisschen die Standardisierungsidee, wenn man dann am Ende doch Mischdatenbanken hat.
Auch beim Nachrüsten digitaler Modelle tauchen Datenlücken auf: Was, wenn ein Gerät in 1980 gebaut wurde und keine VDI-3805-Daten existieren? Man kann versuchen, Proxy-Datensätze zu erzeugen (z. B. einen generischen Ventilator definierter Größe, mit geschätzter Kennlinie). Aber das ist nur eine Annäherung. Hier wäre es ideal, wenn auch ältere Gerätedaten digitalisiert werden – was aber kein Schwerpunkt der Hersteller ist, die lieber neue Modelle publizieren. Somit bleibt für den Bestand oft nur, bei Ersatzinvestitionen die Chance zu nutzen, schrittweise die Datenqualität zu heben (d.h. wann immer ein Gerät getauscht wird, kommt das neue mit VDI-3805-Datensatz und ersetzt das alte in der Datenbank). Dies führt jedoch zu sehr langen Gesamtzyklen, bis ein ganzer Bestand abgedeckt ist.
Eine weitere Herausforderung in bestehenden Gebäuden sind die heterogenen Systemlandschaften im FM. Man hat vielleicht gar kein CAFM, oder verschiedene Insellösungen für Wartung, DMS, etc. Einfach mal "VDI-3805 einführen" setzt eine IT-Infrastruktur voraus, die das aufnehmen kann. Einige FM-Abteilungen schrecken davor zurück, weil es bedeutet, in Software zu investieren oder bestehende Systeme anzupassen. Ohne ein BIM-/CAFM-System nützen digitale Produktdaten wenig – Excel-Listen könnten zwar prinzipiell auch VDI-Daten aufnehmen, aber das skaliert schlecht und kann die Beziehungen (z. B. ein AHU besteht aus x Komponenten) kaum abbilden. Die Implementierung erfordert also auch eine gewisse digitale Reife in der Organisation.
Schließlich darf man die menschliche Komponente nicht vergessen: Das Know-how im Umgang mit BIM-Daten fehlt in manchem traditionellen FM-Team. Die Umstellung von papierbasiertem Arbeiten zu datenbankgestütztem Arbeiten bringt Schulungsbedarf mit sich. Es kann Anfangswiderstände geben ("Warum brauchen wir das? Ging doch früher auch ohne."). Zudem müssen Prozesse angepasst werden: Einfache Beispiele – der Monteur muss rückmelden, wenn er einen anderen Filtertyp einbaut als ursprünglich, damit der Datensatz aktualisiert wird; oder bei Umbauten muss jemand ans Modell denken, nicht nur ans Ausführen vor Ort. Diese Disziplin aufzubauen, die digitale Dokumentation parallel zum physischen Tun zu pflegen, ist ein kultureller Wandel. Im Bestand, wo vieles "läuft", ist es schwer, mitten im Betrieb Leute davon zu überzeugen, Extraaufwand in Datenerfassung zu stecken. Oft fehlt auch der direkte monetäre Anreiz: Die Einsparungen durch Optimierung sind zwar da, aber nicht immer sofort sichtbar oder demjenigen gutgeschrieben, der die Datenerfassung macht. Ein Lösungsansatz kann hier sein, Use Cases klar zu kommunizieren – etwa: "Wenn wir diese Lüftungsanlage digitalisieren, können wir nächstes Jahr 5% Strom sparen, was X Euro sind". Oder verbindliche Vorgaben von oben ("Konzern will digitale Gebäude, also machen wir mit").
Eine innovative Möglichkeit könnte in Zukunft sein, Dienstleister einzusetzen, die Bestandsdatenerfassung als Service anbieten, möglicherweise erfolgsbasiert (sie kriegen einen Teil der Einsparung). Das sieht man ansatzweise bei Energie-Contracting, aber noch kaum bei Daten-Contracting.
Herausforderungen in Neubauprojekten
In neuen Bauprojekten hat man den Vorteil, dass man von vornherein mit BIM und digitaler Planung starten kann.
Dennoch gibt es auch dort Stolpersteine bei der praktischen Nutzung von VDI 3805:
Zum einen ist die Durchgängigkeit zwischen Planern und Betreibern nicht immer gewährleistet. Ein Architekt oder TGA-Fachplaner mag zwar BIM nutzen, aber wenn der Auftraggeber (Betreiber) das nicht aktiv fordert, werden evtl. nicht alle FM-Daten eingepflegt (klassisches Problem: Planer modellieren nur, was sie für die Planung brauchen, aber nicht unbedingt, was der FM später wissen will). Zum Beispiel tragen sie vielleicht die Lüfterkennlinie nicht ein, wenn sie die nur extern berechnet haben. Oder es werden Platzhaltertypen verwendet, die nicht dem final eingebauten Produkt entsprechen. Wenn dann am Ende des Projekts die Daten übergeben werden, sind sie unvollständig oder unspezifisch. Der FM muss dann erneut Daten beschaffen. Hier ist die Herausforderung, klare Leistungsbilder zu definieren: Der Planer muss wirklich VDI-3805-Daten des tatsächlich verbauten Produkts liefern (im Idealfall vom Errichter bzw. Hersteller final übergeben). Das erfordert einen geänderten Planungs- und Vergabeprozess: z. B. Produkte erst kurz vor Einbau final auswählen und sofort datentechnisch einpflegen. Die HOAI und klassische Abläufe sehen das so granular bisher nicht vor. Viele Projekte erzeugen ein "wie geplant"-Modell, das aber mit der Realität dann nicht 100% abgeglichen wird. Das sog. As-built-Modell bleibt eine Herausforderung: Wer aktualisiert es während der Bauphase, wenn Komponenten getauscht werden? Oft wird das dem ausführenden Gewerk überlassen, aber dort fehlt manchmal das digitale Rüstzeug oder der Anreiz. Es ist nicht unüblich, dass eine Lüftungsfirma lieber ihre bewährten PDF-Dokumentationen abgibt als sich mit BIM-Software auseinanderzusetzen. Vertragsgestaltung ist hier das Zauberwort: Ohne vertragliche Pflicht zur Datenlieferung nach Standard (und ggf. Abnahme dieser Datenqualität) passiert es nicht zuverlässig.
Ein weiterer Punkt ist die Software-Interoperabilität. Während im Neubau BIM-Tools dominieren, arbeiten andere Beteiligte (Brandschutzplaner, Prüfsachverständige etc.) oft noch mit 2D-Plänen oder eigenen Tools. Wenn das BIM-Modell ausgetauscht wird (IFC), kann es – wie in 4.1 diskutiert – zu Datenverlust kommen. Wenn der FM beispielsweise vorhatte, das IFC-Modell als Grundlage zu nehmen, weil er kein natives Revit besitzt, muss er hoffen, dass alle VDI-3805-Daten in IFC ankommen. Aktuell ist das oft nicht der Fall: IFC hat zwar PropertySets, aber die konsistente Übertragung aller herstellerspezifischen Merkmale klappt nicht immer. Das ist eine technische Hürde: Bis ISO 16757 mit IFC wirklich eins wird, muss man auf Tools setzen, die VDI-3805 nativ handeln können. Möglicherweise behält man also das Revit-Modell und nutzt Plugins, anstatt es nach IFC zu überführen. Dies verlangt aber, dass der FM Zugriff auf Planersoftware hat oder diese anbietet. Alternativ könnte man VDI-3805-Datenbank und IFC-Modell getrennt verwalten, was aber umständlich ist. Insgesamt ist die Datenübergabephase (Bauen -> Betreiben) nach wie vor ein kritischer Moment. Hier müssen sich Standards wie COBie oder nationale Austauschformate (in Deutschland: MVDs gemäß BIM-Normungsroadmap) mit VDI 3805 verzahnen. Noch ist es für viele Projekte ein Pionierakt.
Bei Neubauten kommt hinzu, dass häufig verschiedene Parteien beteiligt sind (Generalplaner, Subplaner, ausführende Firmen) – jeder mit eigener Software. Das erfordert tatsächlich, dass alle diese Tools VDI 3805 unterstützen. Der Planer könnte die TGA in liNear entwerfen (nutzt VDI-3805), der Generalunternehmer nutzt Navisworks zur Koordination (der sieht Geometrie aber vllt. nicht die VDI-Attribute voll), der Bauleiter druckt lieber PDF aus... es besteht die Gefahr, dass die granularen Daten auf dem Weg teilweise ignoriert werden. Hier helfen Schulung und eindeutige Vorgaben in BIM-Abwicklungsplänen: "Jedes Fachmodell muss VDI-3805-Parameter enthalten, jeder TGA-Zulieferer muss diese bedienen." Aber das durchzusetzen kann aufwendig sein. Eine "Herausforderung" ist also auch, dass BIM-Koordinatoren und alle Projektbeteiligten genug Disziplin haben, die Standards einzuhalten und nicht aus Zeitnot doch Quick-and-Dirty-Lösungen zu machen, die die Datenintegrität stören.
Ein Problem, das in Neubauprojekten speziell auftaucht, ist das der Änderungen während der Ausführung. Wenn etwa aufgrund von Lieferproblemen ein anderer Lüftungsgerätetyp eingebaut wird als geplant, muss das Modell aktualisiert werden mit dem neuen VDI-3805-Datensatz. Oft passiert das nicht konsistent – am Ende gibt es Abweichungen zwischen Modell und Realität. Der FM merkt es dann erst, wenn er z. B. einen Filter bestellen will und die Artikelnummer passt nicht. Solche Inkonsistenzen sind Gift für die Akzeptanz des digitalen Modells im Betrieb. Herausforderung ist also, einen Prozess zur Änderungsnachverfolgung zu etablieren: Jede Änderung -> Modellupdate -> Kommunikation an FM. Das bedingt enge Zusammenarbeit zwischen Bauleitung und BIM-Koordination. Das muss erst gelernt werden in vielen Organisationen.
Datenqualität und Standardisierungstiefe
Eine weitere Herausforderung betrifft die Datenqualität und -konsistenz der VDI-3805-Datensätze selbst. Obwohl das Format viel vorgibt, gibt es immer noch Spielräume, die zu Uneinheitlichkeiten führen können. Beispielsweise hat in dem BIM-Helden Erfahrungsbericht die Autorin bemängelt, dass Materialbezeichnungen nicht einheitlich sind – manche Kataloge geben den Werkstoff nicht eindeutig an. Oder ein anderer Fall: Einige Ventilatoren-Kataloge enthielten Formteile, andere nicht, was interne Softwarelogik störte. Solche Kinderkrankheiten der Standardnutzung führen dazu, dass Modelle nicht stringent sind. Für FM und Planung heißt das: man muss immer mal wieder nachbessern, eventuell Kataloge tauschen oder Workarounds finden. Das kann den Eindruck erwecken, VDI 3805 funktioniere nicht perfekt – was streng genommen nicht dem Standard anzulasten ist, sondern seiner noch nicht flächendeckend optimalen Anwendung. Diese Hürde wird aber kleiner, je mehr Erfahrung gesammelt wird. Mit jeder neuen Version der Richtlinie (bzw. nun ISO) werden vermutlich auch Definitionen klarer. Dennoch: Wer jetzt implementiert, muss damit rechnen, gelegentlich Lücken manuell schließen zu müssen. Das ist wichtig zu kommunizieren, damit Projektbeteiligte realistische Erwartungen haben.
Auch die Standardisierungstiefe ist ein Thema: Ist VDI 3805 zu komplex? Manche Handwerker oder kleinere Hersteller schrecken vor dem initialen Aufwand zurück, ihre Produkte zu digitalisieren. Gerade bei Sonderanlagen, die nicht in Serie gehen, lohnt es für Hersteller eventuell nicht, VDI-Datensätze zu erstellen. Das bedeutet: In jedem großen Projekt gibt es vielleicht doch ein paar Komponenten (z. B. Spezialanfertigung Schalldämpfer oder eine Sondersteuerung), die nicht als Datensatz vorliegen. Diese müssen dann "von Hand" modelliert werden. Das ist machbar, aber bricht die Vollständigkeit. Hier muss man Abwägungen treffen: Will man wirklich 100% aller Teile abbilden, oder konzentriert man sich auf die 90%, die standardisierbar sind? Ein FM würde wahrscheinlich sagen: die Hauptverbraucher und -verschleißteile digital, Kleinkram reicht, wenn im PDF. Das ist pragmatisch, aber natürlich nicht ideal im Sinne eines ganzheitlichen Modells. Diese letzte Meile zu gehen, wird eine Weile dauern, bis wirklich jeder Brandmelder und jedes Ventil digital katalogisiert ist.
Organisatorische und rechtliche Herausforderungen
Organisatorisch haben wir vieles schon gestreift (Koordination, Schulung, Verantwortlichkeiten). Erwähnenswert ist noch die Rechts- und Haftungsfrage: Wenn digitale Daten bereitgestellt werden, wer haftet für deren Korrektheit? Ein Beispiel: Ein Planer übergibt VDI-3805-Daten, in denen ein Fehler steckt (falscher Zahlenwert). Der Betreiber verlässt sich darauf und es entsteht ein Schaden. Solche Fälle sind bisher theoretisch, aber denkbar. Aktuell gibt es noch wenig klare Regeln, wer für Datenmängel haftet – analog der Frage bei BIM-Modellen allgemein. Einige Planer sind daher zurückhaltend, zu viel Detail mitzuliefern, aus Sorge, das könnte ihnen angelastet werden. Rechtlich müsste man definieren, dass die Datenlieferung Teil der geschuldeten Leistung ist und nach bestem Wissen erfolgt, aber man kann nie jede Eventualität ausschließen. Vertrauen in die Daten und eine offene Fehlerkultur (Fehler können korrigiert werden) sind wichtig – das ist eher Kultur als Recht. Dennoch, in Verträgen wird teils BIM und Datenübergabe als "Besondere Leistung" deklariert, mit Haftungsbegrenzung. Solche Unsicherheiten können die Implementierung bremsen, wenn Stakeholder Angst haben, sich zu sehr in die Karten schauen zu lassen oder angreifbar zu machen. Hier hilft nur, durch Standards (auch ISO 16757) und Praxis zu zeigen, dass es gut funktioniert und für alle Nutzen bringt.
Ein letzter Punkt: Internationalität im Projektgeschäft. Bei Projekten mit ausländischen Partnern oder Import-Geräten steht man vor der Herausforderung, dass VDI 3805 bislang primär im deutschsprachigen Raum verankert war. Es gibt Hersteller aus z. B. Asien oder USA, die (noch) keine Datensätze anbieten. Wenn in einem deutschen Projekt solche Geräte eingesetzt werden (z. B. ein spezielles US-Klimagerät), muss man selber Datenblätter digitalisieren. Das kann mühsam sein und auch qualitativ unsicher (man hat vielleicht nicht alle Infos). Die ISO 16757 wird dieses Problem entschärfen, aber in der Übergangszeit ist es real. Die Globalisierung der Lieferketten passt noch nicht 100% zur Lokalisierung von Standards. Für FM bedeutet das z.B., dass, wenn man internationale Liegenschaften betreut, man womöglich mit unterschiedlichen Datenformaten jongliert (USA anders als DACH). Dieses Nebeneinander kann Effizienz schmälern und erfordert extra Tools zum Konvertieren. Ideal wäre, alle ziehen an einem Strang; real muss man Übergangsphasen managen.
Die Implementierung von VDI 3805 erfordert Investitionen – Zeit, Geld, Schulung – und ein gutes Change Management. Es gilt, technische Hürden (Datengewinnung, Software, Interoperabilität) und menschliche Hürden (Akzeptanz, neue Prozesse) gleichermaßen zu adressieren. Die Richtung ist eindeutig: hin zur Digitalisierung. Aber der Weg ist ein schrittweiser. Wie bei jeder Innovation wird es "lessons learned" geben und iterative Verbesserungen. Organisationen, die früh einsteigen, haben kurzfristig mehr Aufwand, aber langfristig Erfahrungsvorsprung. Die Aufgaben von heute (Daten sammeln, Standards setzen) sind die Selbstverständlichkeiten von morgen. In ein paar Jahren werden manche heutigen Herausforderungen durch Weiterentwicklung der Normen und Tools gelöst sein – bis dahin ist eine gewisse Pionierarbeit nötig.